Nur ein Gerücht
Ruf zu zerstören.«
»Aber du siehst untätig dabei zu, wie sie meinen zerstört! Macht dir das Spaß, fühlst du dich dabei gut?« Sie presste ihre Lippen aufeinander und blitzte mich böse an.
Ich stieg wieder auf. »Du bist auf der falschen Fährte!«
Vielleicht konnte Susanne mir dabei helfen, das unangenehme Gefühl, das die Auseinandersetzung mit Karen bei mir hinterlassen hatte, loszuwerden. Ich fand sie beim Unkrautjäten in ihrem Garten, wo sie inmitten eines Rosenbeetes kniete.
»Naht da Hilfe oder Ablenkung?«, fragte sie.
»Eher Ablenkung. Ich habe es in den letzten Wochen noch nicht einmal geschafft, mein eigenes Unkraut zu rupfen. Wenn ich dich da so sehe, packt mich mein schlechtes Gewissen.«
»Ein schlechtes Gewissen solltest du nur wegen deiner Mäuse haben.«
»Bin ich etwa nicht gut zu ihnen?«
Ihr Kopfschütteln war Antwort genug.
»Genetisch gesehen ähneln sich Menschen und Mäuse«, wiederholte ich, was ich erst kürzlich gelesen hatte.
»Und? Was sagt uns das?«
»Ich kann sie nicht umbringen.«
»Das verlangt auch niemand von dir. Wofür gibt es Katzen? Ich leihe dir meine gerne mal für eine Stunde aus.«
»Aber die Mäuse stören mich nicht. Wir leben in einer überaus friedlichen Koexistenz.«
»Eine friedliche Koexistenz ist der beste Nährboden für eine Überpopulation. Du wirst dich bald nicht mehr retten können vor diesen kleinen Nagern.«
»Ich will nie wieder tote Mäuse auf meinem Kopfkissen!«
»Dann nimm Lebendfallen.«
»Das bringe ich auch nicht über mich«, druckste ich herum. »Ich stelle mir immer vor, dass das eine Familie ist, die ich auseinander reißen würde.«
Susanne raufte sich ungläubig die Haare. »Vielleicht wäre dir die eine oder andere Maus ganz dankbar dafür. Nicht jeder ist ein Familienmensch - verzeih: eine Familienmaus. Hast du dir außerdem schon einmal überlegt, dass sie bei dir wie in einem Gefängnis leben?«
Meine Mundwinkel zuckten. »Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?«
»Jeder hat seinen wunden Punkt.« Ihr befreites Lachen war ansteckend.
»Kennst du eigentlich Heides?«, fragte ich rundheraus.
Sofort war Susanne wachsam. »Wie kommst du darauf, dass sie einen hat?«
»Erstens hat jeder einen und zweitens willst du wohl nicht abstreiten, dass sie ein wenig seltsam ist.«
»Gibt es irgendetwas an ihrer Arbeit auszusetzen?«
»Im Gegenteil. Sie ist zuverlässig, gewissenhaft ... «
»Reicht das nicht?«
»Ich habe mir nur Gedanken gemacht. Aus ihrer Einsatzbereitschaft rund um die Uhr entnehme ich, dass sie keine Familie hat, um die sie sich kümmert, und auch nicht gerade viele Freunde, mit denen sie sich regelmäßig trifft.«
»Das trifft auf dich genauso zu.«
»Aber ich war nicht jahrelang Hausfrau.«
»Sind dir Hausfrauen in irgendeiner Weise suspekt?«, fragte sie spöttisch.
»War sie krank? Ich meine, hatte sie eine Depression oder etwas in der Art? Sie wirkt wie jemand, dessen Seele rekonvaleszent ist.«
Sekundenlang sah Susanne mich ausdruckslos an. Dann begann sie, mit ihren Gartenhandschuhen zu spielen. Schließlich hob sie ruckartig ihren Kopf. »Sie war genau wie ich im Gefängnis und versucht, wieder Fuß zu fassen.«
Ich holte tief Luft. »Hast du etwa geglaubt, ich hätte sie nicht eingestellt, wenn ich das gewusst hätte? Du kennst mich so lange und weißt immer noch nicht, dass ich ein Faible für Außenseiter habe?«
»Es war Heides Wunsch. Sie wollte ganz neu anfangen. Ohne zweifelnde oder prüfende Blicke. Ohne Misstrauen.« Susanne zog aus ihrer Hosentasche eine Schachtel Zigaretten, nahm eine heraus und zündete sie an. »Sei ehrlich, Carla, wenn du das mit dem Gefängnis gewusst hättest, hättest du sie dann nicht sofort in Verdacht gehabt, als all diese merkwürdigen Dinge auf deinem Hof passierten?«
»Sie konnte nicht ahnen, dass so etwas passieren würde.«
»Irgendetwas passiert immer, überall.«
»Wie lange war sie im Gefängnis?«
»Lange«, war die knappe Antwort.
»Und was hat sie getan?«
»Was immer es war, sie hat ihre Strafe abgesessen.«
»Hast du nicht gesagt, du kennst sie von früher?« Ich hatte ihre Worte noch genau in den Ohren.
»Das war gelogen.«
»Nach dem Motto D er Zweck heiligt die Mittel ?«
»Das beschreibt es ziemlich genau«, sagte sie ohne einen erkennbaren Funken von schlechtem Gewissen. »Hin und wieder helfe ich ehemaligen Sträflingen, eine Arbeit zu finden.« Ich hing ihren Worten einen Moment lang nach. »Jetzt brauche ich deine
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