Nur ein Gerücht
Bungehof aufgefallen sind.«
»Was für Parallelen?«
»In Malente hat eine Ärztin mit einer versuchten Rufschädigung zu kämpfen. Erst wurde an die Hauswand ihrer Praxis das Wort Pfuscherin gesprüht - knallrot und riesengroß, so dass es nicht zu übersehen ist. Und darin wurde unter ihrem Namen eine Anzeige in die Zeitung gesetzt, dass sie aus persönlichen Gründen ihre Praxis aufgeben müsse. Unsere Anzeigenabteilung hat mich auf die Sache aufmerksam gemacht. Dort ist diese Ärztin nämlich gestern wutentbrannt hineingestürmt und hat mit harten Konsequenzen gedroht. So, wie es aussieht, hat sie die Anzeige nicht selbst aufgegeben. Irgendjemand will ihr schaden. Finden Sie diese Parallelen nicht auch seltsam?«
»Seltsam schon, aber ich halte sie für rein zufällig. Damit können weder mein Verpächter noch meine Konkurrentin etwas zu tun haben, das macht gar keinen Sinn.«
»Ich habe mir das anonyme Schreiben noch einmal genau angesehen«, meinte sie nachdenklich. »Es klingt nicht so, als wäre es der Feder eines alten Mannes entsprungen. Es klingt dynamisch, resolut und irgendwie sehr ... kreativ.«
»Lassen Sie das keine älteren Männer hören ...«
»Im Ernst, Frau Bunge, Sie haben das Schreiben doch auch gelesen. Könnten diese Attribute auf Ihre Konkurrentin zutreffen?«
»Ehrlich gesagt habe ich es nicht gelesen«, gestand ich kleinlaut, »ich habe es zerrissen, da ich mich nicht unnötig aufregen wollte. Der Spuk ist vorbei, und das ist schließlich die Hauptsache.«
»Würden Sie mir verraten, wie Ihre Konkurrentin heißt?«
»Nein, auf keinen Fall!« Ich war heilfroh, dass Melanie ihre Krallen eingezogen hatte, und ich beabsichtigte nicht, sie in irgendeiner Weise zu reizen. »Es mag ja Parallelen geben, aber es gibt keine Verbindung zwischen beiden Fällen.«
»Vielleicht doch, und wir sehen die Verbindung nur nicht.«
»Frau Lohoff, ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber ich weiß nicht wie.«
»Da Sie mir den Namen Ihrer Konkurrentin nicht nennen wollen«, sagte sie gedehnt, »spreche ich am besten einmal mit dieser Frau Doktor Klinger, vielleicht hat sie einen Verdacht. «
Ich gab mir alle Mühe, mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Ist das die Ärztin?«, fragte ich möglichst unbeteiligt.
»Ja. Doktor Karen Klinger. Sie praktiziert in Malente als Radiologin.«
Hatte auch Karen Melanie so sehr verletzt, dass sie sich an ihr rächen wollte? Ich konnte mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie etwas Negatives über Udo sagen würde. Bevor ich wieder ins Grübeln geriet, verwarf ich diese Gedanken und genoss stattdessen ganz bewusst die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages auf meiner Terrasse. Ich saß mit geschlossenen Augen zurückgelehnt in meinem Stuhl, als sich das Geräusch eines Autos in mein Bewusstsein drängte. Kurz darauf hielt ein Wagen vor meiner Buchenhecke.
Franz Lehnert war überraschend zu Besuch gekommen. Ich holte ihm ein Glas Rotwein und schob ihm auffordernd meine angebrochene Tafel Schokolade zu.
»Nervennahrung?«, fragte er mit einem Lächeln.
»Eigentlich eher Resteverwertung, ich habe mal wieder vergessen einzukaufen.« Ich sah ihn mitfühlend an. »Ihnen geht es nicht gut, oder?«
Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich vermisse Viktor mehr, als ich es mir habe vorstellen können. Auch wenn ich so viel Zeit hatte, mich auf seinen Tod vorzubereiten ... es ist verdammt schwer ohne ihn.« Er lächelte mich mit feuchten Augen an. »Wenigstens besucht er mich hin und wieder in meinen Träumen.«
»Wie lange waren Sie zusammen?«
»Zwölf Jahre.«
»Und wie haben Sie sich kennen gelernt?«
»Durch einen Blechschaden.« Bei der Erinnerung trat ein Leuchten in seine Augen. »Viktor hat mich angefahren. Wir sind beide völlig genervt aus unseren Autos gestiegen. Es regnete in Strömen und beide hatten wir es eilig. Als ich ihn sah, dachte ich voller Bedauern: Der ist bestimmt verheiratet und hat zwei Kinder zu Hause herumspringen ...«
»So weit hergeholt war das ja wohl nicht.«
Zum Zeichen seines Verständnisses schloss er kurz die Augen. »Anstatt uns gegenseitig mit Schuldzuweisungen zu überhäufen, wie das in solchen Situationen üblich ist, kamen wir ins Gespräch. Um uns herum hupte es, weil wir eine ganze Spur blockierten, aber Viktor hielt in aller Seelenruhe seinen Schirm über mich und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, am Abend mit ihm essen zu gehen.«
»Und?«, fragte ich
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