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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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nur.«
    »Und wenn ich gar nicht erst so weit ginge, die Polizei einzuschalten? Vielleicht reicht es, eine Zeugin zu haben und den Alten mit unserem Fund zu konfrontieren ...«
    »Zu erpressen, meinst du. Vergiss es!«
    »Du müsstest nur Schmiere stehen.«
    »Nicht mit mir, Carla.« Sie war mir stets als die Beherztere von uns beiden erschienen, weniger zögerlich als ich und weniger auf ihr Außenbild bedacht. Ich hatte angenommen, sie wäre Feuer und Flamme und würde meinen Plan als Abenteuer betrachten.
    »Es ist kein Kavaliersdelikt, das du da vorhast«, drängte sie sich in meine Gedanken. »Auf Einbruchdiebstahl steht Gefängnis.«
    Ich stöhnte entnervt. »So wie du das sagst, klingt es schrecklich juristisch. Ich möchte nur mal in seinem Haus nachschauen, ob ich das eine oder andere Teil, das ich im Stall vermisse, dort finde. Wenn du die Zimmer der Gäste in Flint's Hotel inspizierst, dann tust du letztlich nichts anderes.«
    Sie sah mich an, als sei ich komplett durchgedreht. »Da sehe ich schon einen Unterschied. Ich darf in diesen Zimmern sein, weil ich dort zu tun habe. Womit soll ich mich, denn herausreden, wenn mich der alte Pattberg in seinen vier Wänden erwischt? Vielleicht damit, dass ich mich über eine mehrere Kilometer große Distanz in der Tür geirrt habe?« In ihrer Stimme lag die gleiche Unnachgiebigkeit wie in ihrem Blick.
    »Es tut mir Leid, dass ich dich überhaupt gefragt habe!« Mir kam es so vor, als hätte ich ihr einen unsittlichen Antrag gemacht. »Ich dachte, du hättest Verständnis dafür, dass ich Beweise brauche.«
    »Wenn du Beweise brauchst, lass Überwachungskameras installieren.«
    »Das kann ich mir nicht leisten.«
    »Eine Gefängnisstrafe kannst du dir auch nicht leisten.« 
    »So weit würde er nie gehen.«
    »Carla, wie naiv bist du eigentlich?« Ihr Kopfschütteln schien kein Ende nehmen zu wollen. »Wenn er dich dabei erwischt, wie du bei ihm einbrichst, dann lieferst du ihm einen wunderbaren Grund, dir fristlos zu kündigen.«
    »Er kann mich gar nicht erwischen. Freitagabends fährt er regelmäßig nach Hohwacht zu seinem Stammtisch. Er würde selbst dann gehen, wenn um ihn herum die Welt zusammenbräche. Ich habe einmal versucht, ihn wegen eines kranken Pferdes zum Bleiben zu bewegen - Fehlanzeige.«
    Zum ersten Mal, seit ich das Thema Einbruch angeschnitten hatte, lächelte sie. »Nun sieht natürlich nicht jeder in einem kranken Pferd einen Weltuntergang ... «
    »Und nicht jeder sieht in einem Einbruch gleich eine Katastrophe«, hielt ich süffisant dagegen.
    »Wenn du dafür erst einmal einsitzt, dann änderst du deine Meinung sehr schnell.«
    »Sprichst du aus Erfahrung?« Ich hatte es leichthin gesagt, ohne ernsthaft eine Reaktion zu erwarten.
    Ihr Blick war abweisend. Als sie mir schließlich mit einem gedehnten Ja antwortete, dauerte es einen Moment, bis ich begriff.
    »Du bist bei jemandem eingebrochen?«, fragte ich entgeistert. »Nicht nur das, ich habe dafür auch eingesessen.«
    »Und Christian hat das gewusst? Hast du geglaubt, er habe mir davon erzählt?«
    »Wenn du vorbestraft bist, bekommst du automatisch einen Eintrag in dein polizeiliches Führungszeugnis. Dann wird die Luft für einen neuen Job plötzlich dünn. Es gibt nicht viele Menschen, die einem Ex-Knacki die Chance für einen Neuanfang geben. Christian ist eine der rühmlichen Ausnahmen. Er hat mir meine Geschichte geglaubt. Hätte ich ihn als Richter gehabt, dann wäre mein Verfahren anders ausgegangen.«
    »Was für eine Geschichte?«
    Gedankenverloren zündete sie sich eine Zigarette an. Nach einem tiefen Zug blies sie den Rauch aus und folgte ihm mit ihrem Blick. »Am Anfang war eigentlich nur Einsamkeit. Ich war fünfunddreißig, ein bisschen älter als du jetzt. Mein damaliger Lebensgefährte hatte sich wegen einer .anderen von mir getrennt. Anstatt ihm einfach aus dem Weg zu gehen, beschloss ich, eine möglichst große räumliche Distanz zwischen uns zu schaffen. Hätte mir jemand gesagt, dass Distanz im Kopf entsteht - ich hätte ihm nicht geglaubt. Freunde haben versucht, mich davon abzuhalten, aber ich war überzeugt, nur ein Umzug könne die Schmerzen dieser Trennung lindern.
    In Berlin habe ich dann zu spüren bekommen, was wirklicher Katzenjammer bedeutet. Ich kannte dort niemanden, war todunglücklich und habe mich in meiner Wohnung vergraben, anstatt hinauszugehen und Kontakte zu knüpfen. Nach ein paar Monaten fühlte ich mich so einsam wie noch nie in meinem Leben.

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