Nur ein Gerücht
in einer wunderschönen Urlaubslandschaft.«
Ihr Blick drückte Missbilligung aus. »Sie, liebe Frau Bunge, leben in einer Landschaft, in der andere Urlaub machen. Das ist ein riesiger Unterschied. Wann waren Sie zum letzten Mal tanzen?«
»Finden Sie nicht, dass ich schon genug Sport treibe?«
Ihre Missbilligung war sichtlichen Zweifeln an meiner Zurechnungsfähigkeit gewichen. »Wenn Ihnen bei dem Wort tanzen ausschließlich Sport einfällt, dann läuft in Ihrem Kopf etwas ganz gewaltig schief.«
Eigentlich hatte ich eher das Gefühl, dass um mich herum et was schief lief. »Was sollte mir denn Ihrer Meinung nach dabei einfallen?«
»Schöne Musik, zwei Körper, die zur Harmonie finden ...«
»Nicht anderes geschieht beim Reiten.«
»Wollen Sie Ihr Leben tatsächlich nur mit Oskar an Ihrer Seite verbringen? Ich hätte da ... «
»Ich weiß«, wehrte ich lachend ab, »Sie hätten da den einen oder anderen Junggesellen.«
»Ja, tatsächlich! Und bei unserem Sommerfest werden Sie denen nicht entkommen. Einen habe ich schon näher ins Auge gefasst.«
»Frau Neumann, ich ...«
»Ich weiß, Sie können es kaum erwarten.« In ihren Augen blitzte es spöttisch auf. »Zum Glück ist es ja auch nicht mehr lange hin.«
»Ich habe noch nicht zugesagt. Falls es hier etwas Wichtiges zu tun gibt ...«
»Basti hält sich diesen Nachmittag und Abend frei«, fiel sie mir ins Wort. »Sie werden also ganz bestimmt abkömmlich sein.«
»Basti macht mit Ihnen gemeinsame Sache?«
»Sagen wir mal so: Ich konnte ihn für Ihre Familienplanung gewinnen.«
Als ich die Sache mit den Junggesellen später mit Oskar besprach, erntete ich ein solidarisches Schnauben. »Wenigstens auf dich ist Verlass«, sagte ich und belohnte ihn mit einer Karotte.
Verlass war zum Glück auch auf meinen Anwalt. Er rief mich am Freitag im Stall an, setzte mir in seiner beruhigenden Art auseinander, dass kein Grund zur Sorge bestehe und er die Angelegenheit in die Hand nehme. Ich solle Hans Pattberg wenn möglich aus dem Weg gehen und mich nicht zu unbedachten Handlungen hinreißen lassen.
»Zu unbedachten ganz bestimmt nicht«, murmelte ich vor mich hin, nachdem ich aufgelegt hatte. An diesem Abend würde ich meinen Plan in die Tat umsetzen. Vorher musste ich allerdings sichergehen, dass Basti mir nicht in die Quere kam.
»Wenn du heute Abend etwas Schönes vorhast«, begann ich während des Fütterns wie nebenbei, »kannst du ruhig früher gehen. Mir macht es nichts, ein bisschen länger zu bleiben, ich habe Zeit.«
»Ich auch.«
»Mit dreiundzwanzig hatte ich an einem Freitagabend nie Zeit.« Was schamlos gelogen war.
»Klingt, als wolltest du mich loswerden.«
Ich spürte seinen forschenden Blick im Rücken. »Quatsch«, entgegnete ich möglichst gelassen. »Wieso sollte ich dich loswerden wollen? Ich bin froh, dass du hier bist. Aber wie ich gehört habe, unterstützt du Ilsa Neumann bei meiner Familienplanung. Da dachte ich mir, dass ich mich auf diese Weise ein wenig revanchieren kann.«
Er schien amüsiert. »Und ich hatte angenommen, ich müsse in Deckung gehen, wenn du dich für ein Eingreifen in deine Familienplanung revanchierst. So kann man sich irren.« Ich schüttete Futter in den Trog vor mir und tätschelte dem sich gierig darüber hermachenden Pferd den Hals. »Also, was ist nun mit heute Abend?«
»Heute Abend«, sagte er gedehnt, »habe ich ein paar Freunde zu mir eingeladen. Es könnte ein bisschen lauter werden.«
»So ... na ... dann viel Spaß.« Also würde ich meinen Plan verschieben müssen. »Solange ihr die Pferde nicht stört.«
»Wir werden gar niemanden stören, die Party findet bei einem Freund statt. Ich wollte dich nur ein bisschen aus der Reserve locken.«
»Wozu?«
Er sah mich aufmerksam an. »Weil ich für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl hatte, du wolltest mich tatsächlich loswerden.«
»So ein Unsinn! Wie kommst du auf so eine Idee?«
»Weil du meinen Großvater verdächtigst, hier im Stall auf Beutezug zu gehen. Wäre es da nicht nahe liegend, sich bei ihm ein wenig ... sagen wir umzuschauen?«
»Spinnst du?«
Er zuckte die Schultern. »Entschuldige, das war nur so eine Eingebung. Selbst so ein Ausbund an Rechtschaffenheit wie du kann ...«
»Vielen Dank! Klingt, als wolltest du die Worte langweilig und spießig umschreiben. Ich schlage vor, bevor du dich noch tiefer reinreitest, sehen wir zu, dass wir fertig werden.«
Hans Pattberg hatte bereits um halb acht das Haus
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