Nur ein Jahr, Jessica!
finden kannst!“
„Ja, du hast recht, Reni. Ich werde ihnen morgen schreiben. Eigentlich bist du ein guter Mensch!“
„Ja, nicht wahr? Noch besser, als du annimmst. Denn jetzt habe ich vor, dir etwas zu schenken. Nämlich ein Telegramm an deine Eltern. Komm, fahren wir zur Post,- wir schaffen es gerade noch, es ist Viertel vor sechs.“
Reni ergriff entschlossen meine Hand und zog mich mit raus, steckte mich in „Theodor“ und fuhr los.
„Was soll ich bloß telegrafieren?“ fragte ich. Ich fühlte mich hilflos, ratlos und zerschlagen.
„Überlaß das mir“, erklärte Reni.
Am Postamt war sie es, die ein Formular ausfüllte. Ich guckte ihr nur über die Schulter.
„Alles nur halb so schlimm. Brief folgt. Kuß Jessi.“
Falko hat eine Idee
Als Falko mich an diesem Abend besuchte, fand er mich beim Packen.
Kleidungsstücke, Bücher, Tassen und Teller und was sich sonst noch bei einer Studentin ansammelt lagen herum. Nur den kleinen runden Tisch vor dem Fenster hatte ich für unser Abendessen freigelassen.
„Nanu!“ sagte Falko erstaunt.
„Du hast vollkommen recht“, versuchte ich zu scherzen. „Dies ist ein typischer Fall von ,Nanu’.“
„Nähere Erklärung erbeten“, forderte er, fegte drei Bücher von einem Stuhl, setzte sich und zog mich auf seine Knie.
Noch einmal mußte ich tief Luft holen, noch einmal las ich etwas aus Muttis Brief vor, noch einmal tropften ein paar Tränen, und noch einmal tat ich mir selbst furchtbar leid.
Falko schwieg ein Weilchen. Dann hob er den Kopf und lächelte. „Weißt du, Jessi, eigentlich ist alles nur halb so schlimm!“
„Sagst du das auch! Genau dasselbe meinte Reni – das heißt, sie telegrafierte es meinen Eltern – in meinem Namen!“
„Gott sei Dank, Reni ist ein kluges Mädchen. Sie hat verstanden, daß es am wichtigsten war, deine Eltern zu trösten. Und nun fährst du nach Hause, um sie weiterzutrösten?“
„Denkste! Ich fahre in den Hasensteg 21, um Renis Schwiegermutter zu pflegen und zu bekochen, während Reni in Afrika ist.“
„Dann kann sie ja gut lachen! Die Schwiegermutter, meine ich. Von dir bekocht zu werden ist ein Vergnügen. Übrigens, wenn wir schon darüber sprechen….“
„Ja gleich, Falko, ich habe von all meinen Resten einen Auflaufgemacht, er steht in Frau Manders’ Backofen!“
„Wenn du so was aus lauter Studentenbudenresten zaubern kannst“, meinte Falko, als er die ersten Bissen intus hatte, „was müßtest du dann erst…Jessi! Jessi! Ich hab’s! Kochen sollst du! Ein Jahr lang kochen! Weißt du, was man als Köchin bei reichen Leuten zum Beispiel im Rheinland verdienen kann? Soviel, daß ein armer Assistenzarzt, geschweige denn ein Medizinalpraktikant grün vor Neid werden könnte. Du erhältst ein schönes Zimmer, hast geregelte Freizeit, ein Zimmer mit Fernseher…“
„…und bekommst einen Mercedes 600 zur Verfügung gestellt“, ergänzte ich. „Komm wieder runter auf die Erde, Herr und Gebieter!“
„Ich stehe ganz fest auf der Erde! Jessilein, hör mal gut zu: Keine Arbeit wird so gut bezahlt wie Hausarbeit, und das Kochen liegt dir phantastisch, das weißt du. Du erhältst ein fürstliches Gehalt und kannst beinahe das ganze Geld in ein Sparschwein stecken! Das Zimmer, die Heizung und das Essen kosten doch nichts. Du kannst glatt das Geld für mindestens ein Jahr Studium verdienen! Und du wolltest doch eine Arbeit annehmen, die nichts mit Lesen, Büchern, Papier und Buchstaben zu tun hat! Also, habe ich nun recht? Die einzigen Bücher, womit du zu tun haben wirst, sind Kochbücher!“
„Und du? Möchtest du statt mit einer ,Cand. med.’ mit einem Hausmädchen verlobt sein?“
„Jessica Berner! Gleich lege ich dich übers Knie! Schämst du dich nicht, so was auszusprechen!“
„Doch! Du hast recht. Aber hör, Falko. Wenn ich das sagenhafte Glück haben sollte, eine so gutbezahlte Arbeit zu bekommen, dann doch nur in einem sehr großartigen Haus, wo man nichts mit den Herrschaften zu tun hat. Also ohne Familienanschluß, nicht als Haustochter oder au pair oder Praktikant – wie immer man es nennen mag, um einem Mädchen die Hausarbeit schmackhafter zu machen. Ich würde kurz und gut Dienstmädchen sein, ist dir das klar?“
„Ja und? Es heißt übrigens Hausgehilfin, wenn ich mich nicht irre.“
„Und das ist deine aufrichtige Meinung?“
„Das kann ich dir flüstern! Nie habe ich etwas so aufrichtig gemeint. Halt – du wirst jetzt ja einige Wochen bei der
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