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Nur ein Jahr, Jessica!

Nur ein Jahr, Jessica!

Titel: Nur ein Jahr, Jessica! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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hatte sie ja mit mir gerechnet. Es sah tatsächlich aus, als ob es ihr aufrichtig leid tat.
    „Aber, Fräulein Berner“, erklärte sie, als sie einen Augenblick überlegt hatte. „Wissen Sie, was ich mache? Ich vermiete das Zimmer nur für ein Jahr! Ich möchte Sie doch so gerne zurückbekommen. Und in einem Jahr studieren Sie doch weiter?“
    „Hoffentlich, Frau Manders. Ich bin gern bei Ihnen gewesen!“
    „Ich werde Sie sehr vermissen, Fräulein Berner. Wer hilft mir jetzt, wenn die Soße zu gerinnen droht? Wer bäckt mir die Kuchen, wenn meine Enkelkinder kommen? Was mache ich nur mit dem Gemüse, wenn Sie es nicht für mich dämpfen?“
    Es stimmte schon. Ich hatte oft die Kniffe, die mir Mutti beigebracht hatte, Frau Manders verraten. Und da sie meine Kuchen so gern mochte, hatte ich öfter einen für sie gebacken. Das war das wenigste, was ich für sie tun konnte. Sie war immer lieb und nett zu mir – und die Miete so niedrig.
    Plötzlich kam mir ein Gedanke: „Frau Manders! Sie meinen also, daß ich gut koche?“
    „Ja, das meine ich! Das gebe ich Ihnen sogar schriftlich!“
    „Gerade darum wollte ich bitten!“
    Frau Manders sah aus wie ein Fragezeichen. Ich mußte ihr meine Pläne verraten, doch dann war sie Feuer und Flamme. Sie holte Kugelschreiber und Briefblock aus ihrem vielseitig verwendbaren Küchenbüfett, ließ sich von mir die schwierigsten Worte buchstabieren und schrieb ein Zeugnis aus, das mir wahrscheinlich eine Anstellung im Hotel „Vier Jahreszeiten“ verschafft hätte, und malte zuletzt ihren Namen mit vielen Extraschnörkel darunter.
    Ich steckte das wertvolle Papier in die feierliche Mappe zu dem Taufschein, den Schulzeugnissen und Impfscheinen.
    Dann kam Reni mit Theodor, und ungefähr im gleichen Augenblick erschien Falko.
    Meine Koffer und Kartons wurden im Theodor verstaut, ich nahm einen rührenden Abschied von Frau Manders und versuchte während der Fahrt, cand. med. Jessica Berner zu vergessen und mich auf die zu erwartenden Pflichten der Hausgehilfin Jessica zu konzentrieren.
     

Renis Schwiegermutter
     
     
    Draußen war es eiskalt. In den Schlafzimmern hatten wir elektrische Öfen an, im Wohnzimmer genügte der offene Kamin nicht, wir mußten in dem alten Koksofen Feuer machen. Der abessinische Kater Kijana, sonst außerordentlich unternehmungslustig, der stundenlange Streifzüge mit unbekanntem Ziel liebte, verkroch sich unter dem Ofen.
    Wenn ich zum Kaufmann mußte oder den Mülleimer hinuntertrug, zog ich mich an wie zu einer Polarexpedition.
    Aber in ihrem Schlafzimmer stand Reni pfeifend und trällernd und packte Bikini, ärmellose Sommerkleider, weiße Sandalen und ein paar kleine Fähnchen ein, die sie Nachtkleider nannte. Ich fror bei dem Anblick.
    Im Wohnzimmer saß ihre Schwiegermutter und nähte Knöpfe und abgerissene Rocksäume an. Zwischendurch holte sie Fleckenwasser und schüttelte den Kopf darüber, was ihre eifrig lernende medizinische Schwiegertochter in der letzten Zeit versäumt hatte.
    „Muttchen, wäre es dir lieber, ich hätte fleckenfreie Kleider, aber dafür eine Drei im Physikum?“ fragte Reni lächelnd.
    Sie war ganz aufgeregt vor Vorfreude, was ich verstehen konnte. Ich stand in der Küche, putzte Gemüse, machte Salate zurecht, kochte und briet. Nach drei Tagen vertraute Reni mir an: In einem Punkt hätte sie keine Angst, ihre Schwiegermutter würde nicht verhungern!
    Frau Ingwart hatte mich gebeten, vorläufig kalorienreich und leichtsinnig zu kochen. Reni mußte sich stärken, sie selbst war auch sehr dünn, und ich – ja, ich sah also so aus, daß ich mich hinter einem Besenstiel verstecken konnte, wie Falko es ausgedrückt hatte.
    Frau Ingwart nahm mir die Brotscheiben aus der Hand und strich doppelt soviel Butter darauf, sie goß Sahne in mein Milchglas und schnitt mir so dicke Käsescheiben ab, daß ich Käse mit Brotbelag aß, anstatt umgekehrt.
    Falko kam, um den Wagen zu holen.
    „Aber du fährst mich doch zur Bahn?“ bat Reni. Sie mußte mit der Bahn nach Hamburg, von dort ging es dann weiter per Flugzeug.
    „Ich fahre dich herzlich gern nach Hamburg“, meinte Falko.
    „Fein!“ rief Frau Ingwart. „Dann kommen Jessica und ich mit! Wenn wir meine lästige Schwiegertochter los sind, machen wir uns einen schönen Tag in Hamburg! Ich lade euch zum Mittagessen ein!“
    „Siehst du, Jessi“, sagte Falko. „Nachdem du Frau Ingwart drei Tage bekocht hast, sehnt sie sich schon nach einem anständigen Essen – aua, du

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