Nur ein kleiner Sommerflirt
dass er eigentlich längst überfällig ist.
Eltern, deren Verhalten vorhersehbar ist, sind gut. Unberechenbare Eltern hingegen sind ein Albtraum.
Jetzt stürmt Ron samt Gepäckwagen und Taschen durch den Bereich, der mit »Exit« beschildert ist, davon.
Und ich stehe noch immer wie angewachsen da.
In diesem Moment geht mir auf, dass mein reizender alter Daddy mich gerade mit meinen eigenen Waffen geschlagen hat.
Mist.
Normalerweise würde ich die Sache aussitzen, solange es geht, und ihn damit ins Schwitzen bringen. Damit er denkt, ich könnte vielleicht niemals hinterherkommen. Doch als ich aus dem Augenwinkel die beiden Soldaten auf mich zusteuern sehe, mache ich kehrt und bewege meinen Hintern schleunigst durch die Ausgangstür.
Tschüss, Stolz, hallo, Israel.
4
Veränderungen nerven.
Ich entdecke Ron am Schalter der Autovermietung. Er kümmert sich nicht um mich und hält auch nicht Ausschau, ob ich ihm gefolgt bin. Auch als ich mich neben ihn stelle, würdigt er mich keines Blickes.
Ich schnaube laut.
Er schenkt mir noch immer keine Beachtung.
Die Dame am Schalter händigt ihm einen Schlüssel aus und erklärt ihm etwas auf Hebräisch. Er lächelt sie an, sagt: »Todah« , und schiebt wieder mit seinem Wagen und unserem Gepäck los.
»Tut mir leid«, sage ich. »Jetzt hör doch auf, mich zu ignorieren.«
Er hört auf. »Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass ich mir vielleicht Sorgen um dich mache?«
Ich könnte lügen, aber wofür soll das gut sein?
»Ehrlich gesagt nicht«, antworte ich.
Er fährt sich mit der Hand durch die Haare. Warum machen die Kerle das, wenn sie genervt sind? Halten sie das für extrem cool?
Ich weiß jedenfalls, warum Mädchen das nicht machen. Sie würden ihre Frisur zerstören, für die sie vorher eine halbe Stunde gebraucht haben, deshalb. Außerdem müssen Mädchen nicht den ganzen Tag supercool sein.
»Komm«, sagt er. »Bis wir im Moschaw ankommen, wird es schon dunkel sein.«
» Moschaw? Was ist ein Moschaw? « Bedeutet das auf Hebräisch Einkaufszentrum? Mir kommt wieder Jessica in den Sinn, die mir ja erzählt hat, dass die Läden in Israel die neuesten Modetrends aus Europa haben. Dieses schwarze Kleid von ihr ist wirklich Hammer. Ich weiß, ich verrate meine Prinzipien, wenn ich mit meinem Erzeuger shoppen gehe, aber ich muss ständig an all die fantastischen Dinge denken, die ich mit nach Hause bringen könnte.
Es ist skurril, sobald ich vor meinem inneren Auge ein Shoppingcenter sehe, sind meine Gedanken an irgendwelche Bombenattentate, die es dort geben könnte, auf einmal wie weggeblasen.
Wie wir so in unserem roten Miet-Subaru über die Autobahn brausen, ist es auch schwer vorstellbar, dass wir uns hier in einem Kriegsgebiet befinden. Es sieht aus wie eine Autobahn irgendwo in Mexiko oder so.
Als wir uns dem Zentrum von Tel Aviv nähern, beginnt der Stau. Durch die Scheibe betrachte ich die hohen Gebäude.
Ron deutet nach rechts. »Das ist das Azrieli Center mit seinen drei Türmen. Eins der höchsten Gebäude im Nahen Osten.« In seiner Stimme schwingt Stolz mit.
Sie hätten auch gleich eine Zielscheibe daraufmalen können. »Was für eine großartige Zielscheibe für Terroristen«, murmle ich, merke dann aber, dass Ron mich von der Seite ansieht. »Ist doch wahr.« Ich hoffe, es hat gute Sicherheitsstandards, denn der 11. September hat bei uns Amerikanern seine Spuren hinterlassen. Ich schaue aus dem Fenster, während wir Hightech-Gebäude passieren, an denen die Namen amerikanischer Firmen prangen.
»Israel sieht überhaupt nicht wie ein Dritte-Welt-Land aus«, sage ich.
»Es ist ja auch kein Dritte-Welt-Land.«
Es ist sogar verdammt modern. Der Verkehr erinnert mich jedenfalls stark an zu Hause.
Obwohl mir auffällt, dass die Israelis mit ihrer aggressiven Fahrweise alle zur Nachschulung sollten. Sie brüllen sich gegenseitig aus dem Fenster an und zeigen sich den Stinkefinger, wenn einer sie schneidet. Als sich eine Gruppe Motorräder und Roller direkt zwischen die Autos drängt, schreie ich auf. Sie halten sich nicht mal an die Spuren, sondern fahren direkt auf den Mittellinien!
»Jetzt sind wir schon seit einer Stunde unterwegs. Dauert es noch lang?«, frage ich.
»Ungefähr noch mal eine Stunde.«
»Du hast mir vorhin keine Antwort gegeben. Was ist ein Moschaw? Ein Einkaufscenter?«
Er lacht, und ich glaube nicht mehr, dass ein Moschaw ein Einkaufscenter ist.
»Hast du schon mal was von einem Kibbuz gehört?«, fragt er
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