Nur ein Liebestraum am Mittelmeer
einflussreichen Familie Stillman hatte sie geschwiegen. Wäre sie mutiger gewesen, hätte sie sich nur wenige Monate nach der Hochzeit von Ted getrennt.
Chantelle litt offenkundig unter einer anders gelagerten Angst. Sie war nach dem Unfall vier Stunden lang in ihrem Wagen eingeschlossen gewesen, bevor man sie entdeckt und befreit hatte. Ein traumatisches Erlebnis, das die Psyche beeinträchtigte und erst einmal verarbeitet werden musste. Was alles andere als leicht war und eine Weile dauern konnte. Solche Verletzungen brauchen einfach Zeit, um zu heilen, wusste Laura aus eigener Erfahrung.
Die Situation war für Guy und seine Frau äußerst schwierig.
Vermutlich weigerte sich Chantelle, aus dem Rollstuhl aufzustehen, weil sie fürchtete, die Leute könnten glauben, sie wäre bereit, ihr Leben wieder aufzunehmen. Aber das war unmöglich, solange man psychisch noch nicht bereit dazu war.
Nachdenklich kehrte Laura ins Zimmer zurück, um kurz ihr Make-up für die Party aufzufrischen, die Guy ihr zu Ehren heute gab. Als sie gerade fertig war, klopfte jemand an die Tür der Gästesuite. Wahrscheinlich wollte sich eines der Hausmädchen erkundigen, ob sie etwas benötigte. Sie öffnete und war überrascht, als Guy in cremefarbener Leinenhose und dazu passendem seidig schimmernden Hemd vor ihr stand.
„Können wir kurz miteinander sprechen?“
„Du meinst hier?“
„Ja. Mir wäre es lieber, wenn wir ungestört sind.“
„Natürlich. Komm rein.“
Sie gingen ins Wohnzimmer der Suite, wo er sich auf einen der gepolsterten Louis-XVI-Stühle setzte. Laura nahm ihm gegenüber auf dem kleinen Sofa Platz, das mit einem edlen Jacquardstoff bezogen war.
„Ich habe gehofft, dass ich vor der Party einen Moment in Ruhe mit dir reden kann.“ Guy beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Sag, wäre dein Mann sehr enttäuscht, wenn du nicht gleich zu ihm nach Kalifornien zurückfliegen würdest? Ich frage aus einem bestimmten Grund.“
Laura hatte ihm bisher nichts von ihrer unglücklichen Ehe erzählt. Aber er sah sie jetzt so forschend und aufmerksam an, dass sie nicht länger damit hinterm Berg hielt. „Ich habe vor sechs Monaten die Scheidung eingereicht. Je schneller sie durch ist, umso besser.“
„Es tut mir leid, dass du solchen Kummer hast. Ich hatte keine Ahnung.“
Sein Mitgefühl bewog sie, ihm die Wahrheit zu offenbaren. „Kummer hatte ich während der zweijährigen Ehe, die sich schnell als großer Fehler herausstellte. Die Trennung war das beste Heilmittel. Mein Mann wehrt sich gegen die Scheidung und lässt mich überwachen. Er möchte mich so dazu bringen, zu ihm zurückzukehren. Doch das wird nie geschehen. Ich hoffe, beim nächsten Gerichtstermin den Saal als freie Frau zu verlassen.“
„Bitte entschuldige, dass ich offen spreche … Gibt es jemand anderen, der in den Staaten auf dich wartet?“
„Nein.“ Wenngleich es unnötig gewesen war, hatte ihr Anwalt ihr geraten, sich von jedem Mann fernzuhalten, um Ted keine Angriffsfläche zu bieten.
„Was ist nur mit den Männern in deinem Land los?“
„Es liegt nicht an ihnen, sondern an mir. Seit der Trennung von Ted bin ich ständig beruflich unterwegs gewesen und zu beschäftigt, um an jemand anderen zu denken. Aber was ist der Hintergrund deiner Frage?“
Guy seufzte. „Du hast sicher Françoise kennengelernt, oder?“
Laura nickte. Françoise war eine Frau mittleren Alters, die Chantelle tagsüber oft Gesellschaft leistete, während Guy arbeitete.
„Sie hat ab morgen für zwei Wochen Urlaub. Ich habe selbstverständlich eine Ersatzkraft engagiert. Doch hoffe ich eigentlich, dass ich dich überreden kann, deinen Besuch auszudehnen, bis Françoise wieder da ist. Immer vorausgesetzt, es ist mit deinem Job vereinbar.“
„Guy …“
„Bitte lass mich aussprechen. Als Chantelle sagte, du mögest so lange wie möglich hierbleiben, war ich überglücklich. Seit dem Autounfall hat sie sich für niemanden mehr interessiert. Dir vertraut sie. Sie ist begeistert davon gewesen, wie du dich damals in Kalifornien um Paul gekümmert hast, und dir sehr zugetan. Ihr beide habt eine gemeinsame Vorgeschichte. Sie hat zweifellos bei dir nicht das Gefühl, dass du mehr von ihr verlangst, als sie geben kann.“
Große Güte, wie verzweifelt musste Guy sein. „So gern ich auch helfen möchte … Ich bin kein Arzt.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie hat schon den allerbesten. Mir geht es um etwas anderes. Um die Art und Weise, wie
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