Nur eine Ohrfeige (German Edition)
ähnliche Zuvorkommenheit zu erwarten war, aber bis sie den Zoll passiert hatte und auf der Straße stand, konnte sie ganz sie selbst sein.
Hector saß auf einer Bank, die Arme ausgestreckt, und wartete auf sie. Er war leger gekleidet, aber ihr fiel auf, dass er ein stilvolles Kurzarmhemd trug und die weite Baumwollhose gut saß. Sie war froh, dass er im Gegensatz zu den unrasierten, langhaarigen Rucksacktouristen,die sie umdrängten, lange Hosen trug. Offenbar war er gerade erst beim Friseur gewesen, was sie bereits vorher vermutet hatte. Als sie auf ihn zukam, grinste er übers ganze Gesicht und umarmte sie. Er roch nach ihrem Leben, nach ihrem Zuhause und nach ihren Kindern, und sie ließ sich glücklich und erleichtert in seine starken Arme fallen. Art war zu dünn gewesen. Mit diesem Gedanken hatte sie ihre Entscheidung getroffen. Art war aus ihrem Leben verschwunden.
Sie küsste ihn und fragte nach Adam und Melissa.
»Denen geht es gut. Sie vermissen dich, aber
Giagia
und
Pappou
werden sie bestimmt ordentlich verwöhnen. Und das wissen sie auch. Sie haben sich schon die ganze Woche darauf gefreut.«
»Wartest du schon lange?«, fragte sie entschuldigend.
»Ein paar Stunden.« Er zuckte gutmütig mit den Schultern. »Was will man machen? Ich habe schon mal ein bisschen Lokalkolorit aufgesaugt.«
Er roch nicht nach Nikotin. Angeblich hatte er seit drei oder vier Monaten nicht mehr geraucht, aber sie nahm an, dass er wahrscheinlich hier und da eine geschnorrt hatte, wenn er mit Dedj oder seinem Cousin trinken war. Insgeheim hoffte sie, er würde während ihres Urlaubs rauchen, zumal er sonst ziemlich unausstehlich werden konnte. Aber er roch nicht nach Tabak und machte gleichzeitig einen entspannten, zufriedenen Eindruck, trotz der lästigen Wartezeit. Eine Gruppe Australierinnen schob ihre lächerlich großen, in Folie eingewickelten Rollkoffer an ihnen vorbei. Aisha bemerkte, dass zwei von ihnen Hector einen Blick zuwarfen. Lächelnd hakte sie sich beim ihm ein.
»Ich hoffe, du hast nicht mit dem Lokalkolorit geflirtet, während du auf mich gewartet hast.«
Hector zwinkerte ihr zu. »Die Einheimischen haben, glaube ich, kein Interesse an meinem käsigen weißen Arsch. Und die Touristinnen sind alle neureiche Tussis ohne jeden Geschmack und Verstand.« Er zeigte auf die Tür. »Sollen wir versuchen, einen Fahrer zu finden?«
Die angenehme, sterile Frische der abgeschotteten klimatisierten Welt der Flughäfen und Flugzeuge, in der sie sich über Stunden aufgehalten hatte, war mit einem Schlag dahin, als sie durch den Ausgang in die feuchte, klebrige Luft Asiens traten. Sie ließ sich von Hector quer durch die Schar von Touristen führen, die zaghaft und ungeübt mit den strahlenden, brüllenden und wild gestikulierenden balinesischen Fahrern feilschten. Hector schlug sich durch die Menge, ignorierte sowohl Touristen als auch Balinesen und brachte sie zu einer Bank, auf der zwei alte Männer saßen und rauchten. Als sie sich setzten, wollte einer der Männer etwas sagen, aber Hector hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. Er legte den Arm um Aisha, und obwohl es unerträglich heiß war und der Lärm, die Gerüche und das Licht wahnsinnig intensiv, war sie froh, seinen Körper, seine Wärme und seine nasse Haut zu spüren.
»Worauf warten wir?«
»Darauf, dass sich der Wahnsinn hier etwas legt.« Er massierte ihren Nacken. »Ein alter Rauchertrick. Man stellt sich in die Ecke, raucht eine und überlässt das Gesindel den Nichtrauchern.« Er strahlte sie an. »Nur, dass ich kein Raucher mehr bin.«
Die Strategie schien aufzugehen. Jedes Mal, wenn jemand auf sie zukam, flüsterte Hector ihr etwas ins Ohr, und sie verzogen sich wieder. Ein alter Mann mit kurzgeschnittenem weißem Haar und lederner, von tiefen Furchen durchzogener Haut setzte sich neben sie, aufrecht und würdevoll. Er nickte ihnen zu, lächelte und nahm eine Zigarette aus seiner Hemdtasche.
»Nach Kuta?«
Hector schüttelte den Kopf. »Wir wollen nach Ubud.«
Der alte Mann schlug sich auf die Brust. »Ich euch fahren nach Ubud. Sehr billig.« Er zeigte ihnen sein fast zahnloses Grinsen.
Sie ließ Hector den Preis aushandeln. Er war größzügiger, als sie es gewesen wäre, doch das war ihr egal. Sie hatte es genossen, eine Woche lang allein und unabhängig zu sein, aber die Sicherheit der Zweisamkeit war ihr lieber, zu wissen, dass es jemanden gab,mit dem man die Verantwortung teilen konnte, jemand, der immer da war. Die Woche in
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