Nur eine Ohrfeige (German Edition)
ich existiere sehr wohl, und ich möchte auch, dass das zur Kenntnis genommen wird, wenn sie mich schon umrennen. Gott, ich hasse Mädchen. Jungs sind viel höflicher.«
Rosie schüttelte spöttisch den Kopf. »Wir werden wie unsere Mütter. Ich bin sicher, dass wir früher genauso unmöglich waren.«
Anouk zündet sich eine Zigarette an und suchte nach einem Aschenbecher. Am Tisch nebenan saßen zwei Männer in Anzügen mit gelockerter Krawatte und unterhielten sich angeregt. Sie zeigte auf ihren leeren Aschenbecher, und der eine der beiden Männer lächelte und reichte ihn ihr. Auf seine Art sah er nicht schlecht aus, etwas Bauch, aber männlich. Sie quittierte seine Geste ebenfalls mit einem leichten Lächeln und wandte sich dann an Rosie.
»Du hast wahrscheinlich recht. Wir waren arrogant. Aber wir waren nicht absichtlich ungehobelt. Das ist das, was mich so stört, und so ungern ich es auch sage, ich fürchte, wir als Feministinnen sind mit daran schuld. Diese kleinen Miststücke glauben, tun und lassen zu können, was sie wollen, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.«
»Jetzt klingst du wie ein rechter Radiomoderator.«
Anouk wurde wütend. »Rosie, das ist doch Quatsch! Ich bin der Meinung, das Schutzalter sollte auf zwölf runtergesetzt werden, ich finde, Heroin sollte legalisiert werden, und der Präsident von Amerika und unser Premierminister sollten als Kriegsverbrecher angeklagt werden. Ich bin keine Konservative und ich nehme es jedem übel, der das denkt. Man muss nicht rechts sein, um über Moral zu sprechen.«
Rosie und Aisha warfen sich einen Blick zu und fingen an zu lachen.
Anouk wurde rot. »Schluss mit der Nörgelei. Tut mir leid. Ich wünschte nur, ich hätte diesen blöden Kühen eine runterhauen können.«
Kaum hatte sie das gesagt, musste sie an das Barbecue bei Aisha denken, an den Moment, als Harry den Jungen geschlagen hatte. Sie war sicher, dass es den anderen beiden genauso ging. Der Mann, der ihr den Aschenbecher gegeben hatte, sah immer wieder zu ihr rüber. Er war wahrscheinlich Ende vierzig und hatte graumeliertes, schütteres Haar. Kräftige Unterarme, dicke Finger. Kein Ehering.
»Ich finde es einfach schlimm, wie die rumlaufen.«
Anouk und Rosie waren etwas irritiert über Aishas Bemerkung, aber dann brachen sie beide in Gelächter aus.
»Stimmt, wir werden wirklich wie unsere Mütter.«
Nur Aisha lachte nicht. Sie schenkte sich noch ein Glas Wein ein und nahm sich, ohne zu fragen, eine Zigarette. »Ich mache mir Sorgen um Melissa. Ich weiß, dass sie noch ein Kind ist, aber sie will schon Bikini-Oberteile anziehen, wenn sie auf eine Geburtstagsparty geht. Ich will nicht, dass sie denkt, sie muss aussehen wie eine Prostituierte, um attraktiv zu sein.«
Rosie schüttelte den Kopf. »Du vergisst, wie wir damals waren. Du vergisst, wie deine Mutter über unsere Klamotten geschimpft hat.«
»Weil sie der Meinung war, wir würden uns absichtlich hässlich anziehen. Das stimmt. Wir haben das natürlich ganz anders gesehen, wir wollten Punks sein und uns von der Menge abheben. Aber uns war bewusst, was es bedeutete, nuttig auszusehen, und diese Mädchen taten uns leid. Das waren die Mädchen, die von der Schule flogen und alleinerziehende Mütter wurden. Die Mädchen, mit denen die Jungs ins Bett gegangen sind, um sie dann sitzenzulassen. Ich wollte aussehen wie Siouxsie Sioux oder Patti Smith und nicht wie eine Nutte. Weißt du, wen Melissa bewundert? Paris Hilton. Wenn das kein tolles Vorbild ist.«
»Wenigstens ist sie selbstbewusst. Ich habe nichts gegen sie.«
Anouk kippte ihren Wein runter und goss sich schnell noch ein Glas ein. Ihr guter Wille gegenüber Rosie war in Gefahr. Rosie war ein paar Jahre jünger als Aisha und sie, noch keine vierzig, und als Jugendliche war sie ziemlich wild und rücksichtslos gewesen. Grund dafür waren ihre puritanische Mutter und ein Alkoholiker-Vater, die dafür sorgten, dass sie jeder Form von Frömmigkeit misstraute. Aber nachdem sie Gary kennengelernt und vor allem nachdem sie Hugo bekommen hatte, hatte sie nach und nach einen New-Age-Moralkodex angenommen, der zwar Elemente der religiösen Ethik ihrer Mutter beinhaltete, sich aber dem Hardliner-Diktat des Calvinismus widersetzte. Rosie war eine wunderschöne junge Frau gewesen. Sie hätte Model werden können, ein echtes Arier-Model, dachte Anouk ein wenig gehässig. Rosie hatte aber auch ziemlich bissig sein können und vor allem auf Heuchelei allergisch reagiert. Ein
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