Nur eine Ohrfeige (German Edition)
bisschen davon stünde ihr jetzt ganz gut zu Gesicht. Außerdem gut zu Gesicht stünde ihr, nicht mehr die Übermutter sowohl für ihren Mann als auch für ihren Sohn zu spielen.
Der Mann vom Nachbartisch war aufgestanden, um zur Bar zu gehen. Als er an ihnen vorbeikam, lächelte er sie an. Er war groß. Das war der einzige Punkt, den sie an Rhys als Liebhaber vermisste, dass er nicht groß war. Ein plötzliches Verlangen überkam sie, verstärkt durch den Alkohol, ein Kribbeln in den Lenden. Sie hatte ständig Lust zu vögeln. So wie jetzt den Mann vom Nachbartisch. Sie klinkte sich wieder in das Gespräch ein. Aisha und Rosie waren immer noch in eine hitzige Debatte verwickelt.
Anouk hob protestierend die Hand. »Schluss jetzt!«
»Okay«, lenkte Rosie ein und fügte noch schnell hinzu: »Aber ich finde trotzdem, ihr seid zu streng mit den Mädchen. Ihr vergesst, dass wir es viel leichter hatten.«
Anouks Groll legte sich. Rosie hatte nicht ganz unrecht.
»Ich glaube, ich finde vor allem schlimm, dass sie so austauschbar sind, so hollywoodmäßig.« Sie erinnerte sich an die Mädchen,die sie vorhin angerempelt und dann einfach ignoriert hatten. Ihr Gehabe, ihr Aussehen, ihr Stil hatten definitiv wenig mit der Arroganz zu tun, die sie damals an den Tag gelegt hatten. Die heutigen Teenager eiferten einem zynischen Desinteresse nach, das ihnen von den Medien vorgelebt wurde. Das war purer Egoismus. Eine Welt außerhalb des Images existierte nicht. Und sie arbeitete für die Industrie, die diese kleinen Monster erschuf. Ihr war speiübel. Die sexuelle Erregung, die sie eben noch verspürt hatte, war komplett verschwunden. Sie fühlte sich müde und alt, ihre Lungen schmerzten. Als sie hochblickte, sah sie Aisha und Rosie zustimmend nicken.
»Das finde ich auch.« Aisha zündete sich endlich ihre Zigarette an. »Irgendwie wird alles so gleich.«
»Und ich bin mit schuld daran.«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine, dass ich ein Jahr in Zagreb war, um kroatischen Drehbuchautoren und Regisseuren beizubringen, wie sie eine Seifenoper reproduzieren können, die in einer Familie aus einem Melbourner Vorort spielt und die wiederum auf dem Konzept einer in Deutschland gefloppten Serie basiert. Ich schätze, ich habe nicht das geringste Recht, irgendjemanden als Hure zu bezeichnen.«
»Wir sind alle Huren. Ich bekomme von Pharmaunternehmen Gratisreisen spendiert, damit ich Tieren Impfungen verpasse, von denen ich weiß, dass sie sie nicht brauchen. Das ist die Welt von heute, Anouk. Wir sind alle Huren.«
Rosie schwieg.
Anouk grinste sie spöttisch an. »Außer dir, natürlich. Du bist ja eine Heilige.«
Rosie wurde rot. Anouk meinte, eine Spur von Wut zu erkennen, etwas Böses in ihrem bohrenden Blick aufleuchten zu sehen, aber es verschwand sofort wieder irgendwo tief in ihrem Inneren, wo so viel gelandet war, seit sie Gary geheiratet hatte und ein anständiger Mensch geworden war.
Rosie reagierte mit einem falschen Lächeln. »Ich bin keine Heilige, Anouk. Ich finde nur, dass man sich nicht auf alles einlassen muss, was an dieser Welt schrecklich ist. Man kann sich davon fernhalten. Deswegen lassen Gary und ich Hugo nur DVDs sehen und absolut kein Fernsehen, außer Kindersendungen. Wir wollen Hugo die Möglichkeit geben, seine Fantasie unabhängig von dieser abscheulichen Welt zu entwickeln.«
Dann wandte sie sich an Aisha. »Ich habe mich ein paarmal mit Shamira getroffen. Ich mag sie. Ihre Religion ist genau das: ein Weg, sich und ihre Familie vor all diesem Dreck zu schützen.«
»Wer zum Teufel ist Shamira?«
»Du kennst sie«, erinnerte Aisha Anouk. »Bilals Frau.«
Anouk nickte. Der Aborigine-Moslem und seine weiße Moslem-Frau. Ein seltsames Paar. Beim Barbecue hatte sie festgestellt, dass sie mit keinem von beiden etwas anfangen konnte. Ihr war klar, warum Rosie sie mochte. Alle drei hatten ganz offensichtlich ihre alte Haut abgestreift und sich eine neue wachsen lassen. Sie sah zu Aisha rüber und war plötzlich überzeugt davon, dass sie in diesem Moment genau dasselbe dachte. Es war eine Mischung aus Mitleid und Spott, die sie für diese drei waschechten Australier empfanden. Aish und sie hatten eine echte Vergangenheit, eine echte Geschichte. Jüdin, Inderin, Migrantin, das alles bedeutete etwas, sie hatten es nicht nötig, sich eine Identität auszudenken.
»Ich wusste gar nicht, dass ihr euch kennt.«
»Wir haben bei eurer Party Telefonnummern getauscht. Sie ist toll! Und offenbar hat sie
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