Nur einen Kuss, Kate!
Hände. Sie würde doch nicht so unvernünftig sein und Major Jack spätabends behelligen, zu einer Zeit, da er seinen schwärzesten Stimmungen nachhing – inzwischen hatte er womöglich schon die zweite Flasche geleert.
Jack lümmelte ausgestreckt in einem Sessel vor dem Feuer, ein Glas Brandy zwischen den Fingern, mit halb geschlossenen Augen in die zuckenden Flammen starrend. Verdammtes Frauenzimmer. Er hätte sie mit seiner Großmutter fortschicken sollen, dann hätte sie sich nicht in sein Leben einschleichen können.
Sie hatte hier in dieser Abgeschiedenheit nichts zu suchen. Sie hätte in Samt und Seide gekleidet leichtfüßig durch Ballsäle schweben sollen, umgeben von einem Schwarm von Anbetern.
Ein halbes Jahr! Wie sollte er das aushalten? Es fiel ihm jetzt schon schwer, die Finger von ihr zu lassen.
Verdammt, seine Großmutter hätte Kate nicht bei ihm lassen dürfen. Das Mädchen hätte sich in London einen reichen Mann angeln sollen, der der Kleinen die schönen Dinge verschaffen konnte, die ihr bisher versagt geblieben waren. Jeder Mann konnte froh sein, sie zu bekommen … Er verzog den Mund bei diesem unerträglichen Gedanken.
Sie war so verdammt naiv. Sie hatte keine Ahnung, was ihre Massage bei ihm bewirkt hatte. Sie wusste nichts von Sinnlichkeit und Leidenschaft. Vermutlich würde sie auf das erstbeste hübsche Gesicht hereinfallen. Er musste mit seiner Großmutter darüber sprechen, damit sie dafür sorgte, dass Kate nicht an den Falschen geriet.
Er leerte das Glas, um es sofort wieder zu füllen. Wie auch immer – sie musste schleunigst aus dem Haus.
Er trank weiter, und seine Stimmung verdüsterte sich zusehends, wenn er daran dachte, wie er sie berührt hatte. Sein Körper reagierte allein auf die Erinnerung, und er verzog zynisch den Mund. Es musste ein Ende haben, er musste sie sich aus dem Kopf schlagen und loswerden. Er war mit den Frauen fertig, mit der den Julia Davenports dieser Welt auf jeden Fall und mit den Boden schrubbenden Miss Farleighs ebenso, sanfte Augen hin oder her. Sie machten einen … hilflos. Sie dachten einfach nicht wie ein Mann. Und selbst die besten von ihnen wollten einen einfangen, um jeden Preis.
Julia kam ihm wieder in den Sinn, und erneut stieg Bitterkeit in ihm auf. War Kate denn anders? Aber was konnte eine arme Waise von einem verkrüppelten Wrack erwarten? Ein Zuhause? Nun, auch ein schäbiges Haus wie seines mochte einem heimatlosen Mädchen verlockend erscheinen, und auch seine Armut war relativ, da er nie Gefahr laufen würde zu verhungern, während sie mehrmals nahe daran gewesen war.
Er hatte ein Heim, eine Familie, und er war der Erbe seiner Großmutter. Dies mochte einem bettelarmen Mädchen erstrebenswert erscheinen, selbst wenn der Preis dafür ein Leben mit einer Ruine von Mann war. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass Kate, mit den Tugenden der Barmherzigkeit und des Mitleids im Übermaß gesegnet, für ein Heim, für ihre Sicherheit und eine Familie einiges auf sich nehmen würde.
“Señorita”
, flüsterte Carlos. “Ich glaube, das ist keine gute Idee.”
Kate sah ihn verächtlich an. “Das kann ich mir denken. Schließlich sind Sie es, der ihm diese Flaschen voller Gift kauft, mit dem er sich jeden Abend volllaufen lässt.”
Carlos reagierte mit einem Achselzucken. “Er ist immerhin mein Herr.”
“Wenn Ihnen etwas an ihm läge, hätten Sie sich ihm widersetzt. Sehen Sie denn nicht, dass er sich selbst ruiniert?” Sie stampfte mit dem Fuß auf. “Ich dulde es nicht mehr. Seine Großmutter möchte, dass ich mich um sein Wohlergehen kümmere, und ich werde diesem Treiben ein Ende bereiten.” Sie ging auf die Tür zu.
“Der Zeitpunkt ist ungünstig.” Carlos fasste verzweifelt nach ihrem Ärmel. “Bitte, warten Sie bis zum Morgen.”
“Bis dahin wird er noch mehr von diesem Teufelszeug vertilgt haben”, gab sie scharf zurück. “Lassen Sie mich los.” Sie stieß die Tür auf.
“Wenn er so ist, darf man ihm nicht in die Quere kommen”, warnte Carlos.
“Feigling!” Kate schüttelte seine Hand ab und betrat beherzt den Salon. Sie zündete einen Kerzenleuchter am Feuer an und stellte ihn auf den Kaminsims, ehe sie sich zu Jack umdrehte. Er verharrte stumm und reglos und betrachtete sie brütend unter schweren dunklen Brauen hervor. Sie sah das Glas, das er lässig mit seinen Fingern hielt, die halb leeren Karaffen auf dem Mahagonitischchen, den beim Einschenken vergossenen Alkohol, die halb gerauchten
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