Nur einen Kuss, Kate!
sprechen.
“Danke, Francis”, sagte sie ruhig und wandte sich zum Gehen.
Als sie später wieder hinunterging, um die Zubereitung des Dinners zu überwachen, war Jack verschwunden, vermutlich in die Dorfschänke. Da Kate nicht mit Francis allein speisen wollte, setzte sie sich zu den Dienstboten in die Küche. Was für eine Ironie des Schicksals! Sie, ein Mädchen, das nicht heiraten konnte, wurde von zwei Freiern umworben, von denen sie keinen wollte.
Kate seufzte. Für kurze Zeit war ihr Leben so angenehm verlaufen, doch jetzt war alles anders. Jacks Blicke waren nicht mehr besorgt, sondern argwöhnisch und missbilligend. Sie konnte machen, was sie wollte, er war auf sie immer schlecht zu sprechen.
Dabei hatte sie keine Ahnung, wie es um seine Absichten und Gefühle stand. Sie konnte nicht leugnen, dass seine Küsse sie aufwühlten, doch war es ein Gefühl, gegen das sie ankämpfen musste. Eine Verbindung zwischen ihnen war ausgeschlossen, selbst wenn ein Wunder geschah und er mehr als nur Begehren für sie empfand. Von seinem Vater enterbt, war Jack auf eine Geldheirat angewiesen und musste ein vermögendes Mädchen ehelichen.
“Miss Kate”, unterbrach Florence Kates Gedanken. “Lesen Sie uns wieder aus dem Buch vor?”
Kate lächelte. In der Bibliothek hatte sie einige Gruselromane entdeckt, für die sie eine besondere Vorliebe hatte, da deren Lektüre ihr im Elternhaus verboten gewesen war. Sie las nun Martha und den Mädchen zu deren schaurigem Entzücken daraus vor.
Sie holte den Band hervor, setzte sich ans Feuer und fing zu lesen an. Nach einer Stunde klappte sie das Buch unter Seufzen und Protesten ihrer Zuhörerinnen zu.
“Gehst du gleich zu Bett?”, fragte Martha sie, nachdem die Mädchen gegangen waren.
“Nein, ich bleibe noch ein wenig sitzen. Aber du kannst schon gehen.” Bald war Kate wieder allein mit ihren Gedanken.
“Ich frage mich, über wie viele verborgene Talente Sie noch verfügen.” Die tiefe Stimme, die aus der Dunkelheit an ihr Ohr drang, ließ sie zusammenzucken. Sie drehte sich um und sah Jack lässig an der Wand zur Spülküche lehnen, im Schatten halb verborgen.
“Wie lange stehen Sie schon da?”, fragte sie erschrocken.
Er trat in den Lichtkreis. “Etwa zwanzig Minuten. Alle hörten so gebannt zu, dass mich niemand bemerkte. Sie haben sehr gut vorgelesen, Kate”, sagte er spöttisch und stolperte gleich darauf über einen Stuhl.
In Kate krampfte sich alles zusammen. Er war betrunken.
“Eine richtige kleine Schauspielerin.” Er ragte bedrohlich vor ihr auf. Kate drückte sich fester gegen die Rückenlehne.
“Sie sind betrunken”, sagte sie freimütig.
“Na, wenn schon. Meine Sache.”
Kate runzelte die Stirn. “Wo ist Francis?”
“Ach, Sie nennen ihn Francis?”, höhnte er. “Sie stehen auf sehr vertraulichem Fuß mit ihm.”
Kate gab keine Antwort. Eine Debatte war sinnlos, wenn er getrunken hatte.
“Weiß er schon, was Sie mit diesem Cole vorhaben? Nun zeigt es sich, was es mit Ihrem scheinheiligen Gerede, nie heiraten zu wollen, auf sich hat! Es braucht nur ein reicher Bursche mit Blumensträußen und Komplimenten aufzutauchen, und um Ihre Entschlüsse ist es geschehen. Sie sind auch nicht besser als andere Frauen.”
Kate starrte ihn wortlos an. Sie hatte ihm sofort sagen wollen, dass sie ihrem Vetter einen Korb gegeben hatte, doch als er endlich Atem holte und sich ihr die Chance bot, war sie so wütend, dass sie es vergaß. Um seiner Nähe zu entgehen, stand sie auf und zog sich hinter den Küchentisch zurück.
“Wie können Sie es wagen, so mit mir zu sprechen!”, stieß sie hervor. “Was ich tue, geht Sie nichts an. Wenn ich meinen Vetter sehen möchte, werde ich es tun. Und wenn ich ihn heiraten möchte, tue ich es ebenso.” Sie stampfte mit dem Fuß auf. “Wie können Sie es wagen, meine Ehre in Zweifel zu ziehen! Mir ist es einerlei, ob jemand reich ist oder nicht. Ich finde es empörend, dass Sie das Gegenteil annehmen.”
“Aber Sie können diesen Kerl doch nicht lieben.” Sein Ton war verächtlich.
“Das geht Sie gar nichts an, Mr. Carstairs!”
“Doch!”
“Warum?”
Sie maßen einander finster, dann zog er sie mit einer jähen Bewegung an sich. Einen Moment starrte er sie an, dann nahm er ihren Mund in Besitz.
Es war ein stürmischer Kuss, leidenschaftlich, verzweifelt und zornig. Kate gab sich dieser Woge der Leidenschaft hin, umarmte Jack ganz fest und erwiderte jede Liebkosung.
Schließlich fand der Kuss
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