Nur Engel fliegen hoeher
einparken und mir folgen.«
»Fuck you!«, entfährt es dem Amerikaner. Er fährt hastig seinen Wagen zur Seite, steigt aus, knallt die Autotür zu und stellt den Grenzer wütend zur Rede: »Sie wagen es, einem US-Diplomaten den Pass wegzunehmen?! Das kostet Sie den Job.«
»Entschuldigen Sie bitte, Mr. Davis, ich führe hier nur einen Befehl aus. Bitte folgen Sie mir in den Besucherraum. Dort wartet ein Herr auf Sie.«
Wutschnaubend folgt Davis dem Grenzer durch zwei Vorräume in ein kleines Zimmer. Dort sitzt an einem Schreibtisch ein untersetzter Mann in Zivil, etwa Mitte dreißig, gekleidet in einen blauen DDR-Anzug von der Stange. Er trägt eine goldene Brille und zuckt nervös mit den Augenbrauen. Vor ihm liegt ein brauner lederner Diplomatenkoffer mit goldenem Zahlenschloss. Der Grenzoffizier reicht dem Mann am Schreibtisch den Reise-pass des Amerikaners und verschwindet.
»Diesen Vorgang werde ich noch heute bei der alliierten Kontrollkommission zur Anzeige bringen. Sie haben nicht das Recht, einen US-Diplomaten aufzuhalten.«
»Guten Tag, Herr Davis«, sagt der Mann mit der Goldbrille und reicht ihm über den Schreibtisch hinweg die Hand.
»Ich verlange, dass Sie mir sofort meinen Pass zurückgeben.«
»Bitte nehmen Sie doch Platz.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Ich möchte mich kurz mit Ihnen unterhalten. Das Thema wird Sie vielleicht interessieren.«
»Ich habe nicht die geringste Absicht, mich mit Ihnen zu unterhalten. Ich möchte die Grenze passieren. Und zwar sofort.«
Der Mann am Schreibtisch blättert in dem Pass und redet unbeeindruckt weiter. »Sie also sind Marc Davis, Diplomat in der USA-Vertretung in der Deutschen Demokratischen Republik. Eine hohe Verantwortung haben Sie da.«
»Ich sagte bereits, dass ich nicht die Absicht habe, mit Ihnen zu reden. Ich berufe mich auf meinen Status als Diplomat.«
»Ich kann ja verstehen, dass Sie nicht mit mir reden wollen. Gilt das auch für private Angelegenheiten?«
»Ich rede mit Ihnen kein Wort. Wenn Sie mir etwas mitzuteilen haben, wählen Sie bitte den offiziellen diplomatischen Weg. Dieser dürfte Ihnen bekannt sein. Sollten Sie mir nicht auf der Stelle meinen Pass aushändigen, werde ich ohne die Grenze passieren. Das wird Ärger geben, und Sie haben dafür die Verantwortung zu tragen.«
Der untersetzte Mann mit der goldenen Brille reicht dem Amerikaner seinen Pass und sagt: »Ich bitte vielmals um Verzeihung, Herr Davis.«
Davis steckt den Pass in seine Jackettasche und ist im Begriff zu gehen. Da ruft ihm der Mann hinterher: »Vielleicht wollen Sie doch mal einen Blick auf dieses Foto werfen?«
Er öffnet seinen ledernen Diplomatenkoffer und schiebt ein 18x24 formatiges Schwarz-Weiß-Bild von körniger Qualität über den nackten Schreibtisch. Davis dreht sich kurz um, sieht das Bild und hält inne. Er zieht das Foto zu sich heran und betrachtet es.
»Sie wollen also doch mit mir reden?«
»Wo haben Sie das her?«
»Ich vermute, Sie haben Ihre Lebensgefährtin erkannt.«
»Das ist ein Fake.«
»Ich kann Ihnen versichern: Das Foto ist keine Fälschung. Es gibt einen ganzen Film davon, insgesamt 36 Aufnahmen. Zugegeben, nicht auf allen erkennt man Ihre Lebensgefährtin so deutlich.« Der Mann mit der Brille feixt, seine Augenbrauen zucken.
Marc Davis nimmt das Foto vom Tisch. Darauf ist eindeutig Julia zu sehen. Sie sitzt nackt auf einem ebenfalls nackten Mann, dessen Gesicht dunkel beschattet ist. Das Bild wurde vermutlich in einem Hotelzimmer aufgenommen.
»Bitte, Herr Davis, Sie sollten jetzt gehen. Ansonsten fällt noch jemandem auf, dass sich ein Diplomat länger als üblich an einer DDR-Grenzkontrolle aufhält. Ihren Pass haben Sie ja bereits.«
»Wo kann ich Sie treffen?«
»Heute, 20 Uhr, am Bahnhof Zoo. Hinter der Schlange mit den Taxen wird ein Botschafter in einer schwarzen Mercedes-Limousine auf Sie warten. Mit West-Berliner Kennzeichen selbstverständlich.«
»Botschafter? Aus welchem Land?« »Aus Dänemark.«
»Den dänischen Botschafter kenne ich persönlich.« »Nein, natürlich nicht der dänische Botschafter. Es ist ein Gesandter des dänischen Friedenskomitees.« »Ich kenne kein dänisches Friedenskomitee.« »Er heißt Jaegersson. Sie sollten Vertrauen zu ihm haben.« »Ich verlange die Herausgabe sämtlicher Negative.« »Das besprechen Sie bitte mit Herrn Jaegersson.« »Wie viel wollen Sie?« »Was meinen Sie bitte, Herr Davis?« »Ich meine, wie viel Geld wollen Sie für die Fotos?« »Es ist
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