Nur für eine Stunde?
nebenbei, Sie können sehr wohl charmant sein.” Bevor sie antworten konnte, fuhr Blake fort: “Wenn ich nach dem Charmeversprühen zur autoritären Phase übergehe, haben Sie den Charme zu übernehmen. Beides gleichzeitig kann ich nicht tun.”
Sie hob ergeben die Hände. “Wie Sie meinen. Versuchen kann ich’s ja.”
Er konnte es nicht abwarten, sie in Aktion zu sehen. Ihn hatte sie schon verzaubert, ganz unbewusst, allein durch ihre Erscheinung. Blake brannte darauf zu erleben, wie charmant sie sein konnte, wenn sie es darauf anlegte.
Die Taxifahrt zur Geschäftszentrale von Good Earth setzte Marthas Nervenkostüm weit schlimmer zu als die Fahrt vom Flughafen zum Hotel. Denn diesmal saß sie neben Blake auf dem Rücksitz. Er hatte beträchtliche Mühen auf sich genommen, um zu dem Treffen präsentabel zu erscheinen und trug eine hellgraue Flanellhose mit messerscharfer Bügelfalte, ein weißes Oberhemd, einen marineblauen Blazer und dunkelgraue Halbschuhe. Nur die Krawatte fehlte. Für Blake war es ein sehr förmliches Outfit, und Martha stellte fest, dass er darin genauso fantastisch aussah wie sonst in Jeans.
Sie war sich des Dufts seines Aftershaves bewusst, des Glanzes seiner Haare, seines markanten Profil. Ebenso wie sie sich seiner Hände, die auf seinen Knien ruhten, bewusst war, seiner breiten Schultern und seiner langen angewinkelten Beine.
Bilanzen waren Marthas Spezialität, und jetzt lautete ihr Ergebnis: ein Wunder maskuliner Ausstrahlung. Mathematisch gesehen war es unlogisch, wenn die Summe weit größer war als die Summanden. Folglich irritierte es Martha, dass die Aneinanderreihung von Blakes einzelnen Aspekten ein so monumentales Resultat ergab. Vielleicht funktionierte bei ihm die analytische Methode nicht, vielleicht musste man ihn als Ganzes sehen.
Das Taxi hielt vor einem aus Stahl und Glas erbauten Wolkenkratzer in der Michigan Avenue. In diesem gigantischen Gebäude also befand sich die Verwaltung von Good Earth. Martha war schon jetzt eingeschüchtert. Bruno Thompson sollte ein Gesundheitsfanatiker und Tofuesser sein. Sie konnte nicht so recht glauben, was Blake ihr während der Fahrt über den Mann erzählt hatte. Wahrscheinlich vertilgte er jeden Tag heimlich ein riesiges Steak.
Sie fuhren zum zwölften Stockwerk hinauf und traten in eine geräumige Lobby. “Blake Robey”, stellte Blake sich der Rezeptionistin vor und schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln. “Und dies ist Martha Cooper. Wir haben für halb zehn einen Termin mit Bruno Thompson.”
“Ich werde ihm mitteilen, dass Sie hier sind.” Die junge Frau musterte ihn mit unverhülltem Interesse, bevor sie den Hörer abnahm und auf mehrere Knöpfe drückte. “Mr Robey ist hier für einen Termin mit Mr Thompson”, gurrte sie in den Hörer, wobei sie Blake weiterhin verzückt anstarrte. Sie hörte einen Moment lang zu, nickte dann und legte auf. “Folgen Sie mir bitte”, sagte sie atemlos, und Martha hoffte, dass das arme Mädchen auf dem Weg durch den Korridor nicht in Ohnmacht fallen würde. Vor einem Aufzug blieb sie stehen und drückte auf den Tür-auf-Knopf. “Der Konferenzraum ist oben”, erklärte sie. Sie stiegen ein, der Lift setzte sich in Bewegung, und Martha stellte sich vor, wie Blake und sie in einem riesigen Raum am Ende eines fünf Meter langen Konferenztisches sitzen würden und Bruno Thompson mit seiner Armee von Vizepräsidenten am anderen Ende. Und in einer solchen Umgebung sollte sie sich energisch geben? Oder ihren nicht-existenten Charme spielen lassen? Wahrscheinlich würde sie kein Wort über die Lippen bringen.
Zwei Stockwerke höher traten sie aus dem Fahrstuhl. Wieder führte Blakes Bewunderin sie einen langen, mit Teppichboden ausgelegten Korridor entlang und dann in einen Raum, der zu Marthas Erleichterung kein riesengroßer Saal war. Um den rechteckigen Tisch herum standen nur acht Stühle. Breite Fenster gewährten einen Blick über die City.
“Warten Sie bitte hier”, sagte die Rezeptionistin, den Blick auf Blake geheftet. “Kann ich Ihnen etwas bringen?”
“Haben Sie Blake’s Fruit Brews?”, fragte er mit völlig ernstem Ausdruck.
Sie zwinkerte. “Tut mir leid, nein. Ich habe noch nie davon gehört. Was ist das?”
Er warf Martha einen Blick zu, der zu besagen schien: Was für eine dumme Tussie! “Dann möchte ich nichts, danke. Möchten Sie etwas, Martha?”
Sie fand es nett, dass er sie einbezog, nachdem die Rezeptionistin sich so gründlich bemüht hatte, sie
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