Nur für eine Stunde?
Bruno Thompsons Tochter seinen Fuß in die Tür von Good Earth bekommen hatte.
“Ich bin nun also eingeweiht”, sagte sie betont nüchtern, “aber ich verstehe noch immer nicht, warum ich hier bin.”
“Ich dachte, Sie könnten helfen”, sagte Blake.
“Wie denn? Ich bin Buchhalterin.” Nur eine Gedächtnishilfe, für den Fall, dass er das unsichtbare Neonzeichen nicht sah.
“Sie sind klug”, antwortete Blake vage. “Ich bin sicher, Ihnen fällt etwas ein.”
Höchst unwahrscheinlich, dachte sie. Intuition war Blakes Spezialität, dank seiner Intuitionen hatte er seine Firma zum Erfolg geführt. Bestimmt hatte er auch Fehler gemacht, aber aus seinen Fehlern gelernt und Schritt für Schritt Erfahrungen gesammelt. Er war kein Akademiker, sondern ein Mann der Praxis. Karibische Abenteuer inbegriffen.
Was immer in Jamaica passiert sein mochte, was für Fehler Blake auch immer gemacht haben mochte – Tracys Vater hatte es nicht abgelehnt, ihn in Chicago zu empfangen. Blieb die Frage, ob Blake ein zweites Mal Bruno Thompsons Gunst erringen würde, und diesmal ohne Tracys Hilfe.
So empört Martha über Blakes Unmoral war, sie war gespannt, ihn bei dem Meeting in Aktion zu erleben.
Blakes Fruchtdrinks waren gut und konnten ein Verkaufsschlager in den Good-Earth-Läden werden, das wusste sie. Aber wie gut war Blake?
Das würde sie morgen sehen.
5. KAPITEL
Um kurz vor halb acht am nächsten Morgen stand Blake wartend beim Eingang des “Acorn Café”. Er und Doug und Martha hatten verabredet, sich vor dem Meeting zum Frühstück zu treffen. Sein Blick wanderte zu den Fahrstühlen, und pünktlich auf die Minute stieg Martha aus einem der Lifts, in burgunderrotem Kostüm und blütenweißer Bluse, ihren Trenchcoat über dem Arm und in der anderen Hand die Laptoptasche. Mit federnden Schritten durchquerte sie auf ihren schwarzen Pumps die Halle.
Er wandte nicht den Blick von ihr. Sie hatte wirklich tolle Beine!
Verdammt, irgendwas stimmte nicht mit ihm. Seit über zwei Wochen ging das schon so, und nun schien es sich noch zu verschlimmern. Denn trotz der schlechten Nachrichten in Bezug auf die Verhandlungen mit Good Earth hatte er nur Augen für Marthas Beine, für diese hübsch geformten Waden unter dem dunklen Hauch ihrer Strümpfe, für die ebenmäßigen Ovale ihrer Knie und die unglaublich schlanken Fesseln. Obwohl er allen Anlass zur Sorge hatte, stand er da wie ein nach Sex hungernder Idiot, starrte seine Buchhalterin an und fragte sich, wie sie wohl mit schwarzen Strapsen und Seidenstrümpfen und sonst nichts aussah.
“Guten Morgen”, sagte Martha. “Wo ist Doug?”
“Ich habe eine schlechte Nachricht”, warnte Blake sie, fasste sie dann am Ellenbogen und führte sie ins Café. Sie blickte ihn erschrocken an, aber statt ihr eine Erklärung zu geben, sagte er der Hostess, dass sie einen Tisch für zwei und sofort zweimal Kaffee bräuchten. Als sie sich gesetzt hatten, bemerkte er Marthas plötzliche Blässe.
“Was ist passiert?”
“Doug musste abreisen. Er …” Blake verstummte, als eine Serviererin zwei Becher mit dampfendem Kaffee zu ihrem Tisch brachte. Sein Blick ging zu Martha. Es brauchte keinen Sonnenschein, um die rötlichen Glanzlichter in ihrem Haar herauszubringen, stellte er fest.
“Abreisen?”, fragte Martha, nachdem sie Croissants bestellt hatten und die Kellnerin gegangen war.
“Sein Vater hatte gestern Abend einen Herzanfall. Er ist im Krankenhaus, und obwohl die Ärzte ihn stabilisiert haben, meinte Doug, er müsste jetzt seiner Mutter zur Seite stehen. Er ist heute früh mit der ersten Maschine nach Boston geflogen.”
“Natürlich.” Sie starrte auf ihren Becher und trank einen Schluck. “Das ist wirklich furchtbar. Es tut mir so leid für ihn.”
“Ich bin sicher, er steht das durch. Dougs Vater, meine ich.” Blake musterte sie aufmerksam. War sie so niedergeschmettert, weil Doug fort war? Hatte sie gehofft, dass sich auf diesem Trip etwas zwischen ihnen entwickeln würde? Oder war ihre Bestürztheit nur die natürliche Reaktion auf eine schlimme Nachricht?
Und warum stellte er überhaupt solche Überlegungen an? Hatte er nicht selbst die Idee gehabt, dass die beiden ein ideales Paar abgeben würden? Warum dachte er dann immerzu an Marthas Beine? Er musste geistesgestört sein. Sonst hätte ihm nicht die Frage auf der Zunge gelegen, ob sie Strapse bevorzugte oder ein Strumpfhosentyp war.
Zum Glück kam die Kellnerin wieder an ihren Tisch und brachte die
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