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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Arnold
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Croissants, dazu Butter und Konfitüre. Dankbar für die Ablenkung, konzentrierte Blake sich darauf, sein Splitterhörnchen genau in der Mitte durchzuschneiden und die beiden Hälften mit Butter zu bestreichen. Croissants – hatte er dies fade Backwerk bestellt? Er konnte sich nicht erinnern, ein weiteres Zeichen, dass etwas nicht mit ihm stimmte.
    “Wann hat Doug die Nachricht bekommen?”, fragte Martha in seine Gedanken hinein.
    “Seine Mutter rief gegen Mitternacht an.”
    “Hoffentlich meldet er sich bald und gibt uns Nachricht, ob alles okay ist.”
    “Ja. Ich hab ihn gebeten, kurz durchzurufen, sobald er eine freie Minute hat.”
    “Es macht einem richtig Angst. Ich mag gar nicht dran denken, dass meine Eltern einmal alt werden. Sie sind beide kerngesund, und ich wünsche mir, dass sie das bis ins hohe Alter bleiben.”
    “Meine Eltern sind auch topfit, dem Himmel sei Dank.” Die Sache mit Dougs Vater hatte bei Blake ähnliche Gedanken ausgelöst wie bei Martha, und das, obwohl seine Eltern gesund und munter waren. Aber auch sie wurden nicht jünger. “Mein Vater hatte vor ein paar Jahren eine Knieoperation – ein Meniskusriss vom Skilaufen. Die Operation ist eine Routinesache, nicht weiter dramatisch, aber …”, Blake zuckte mit den Schultern, “irgendwie ist es merkwürdig, seinen alten Herrn an Krücken zu sehen.”
    “Wir wiegen uns eben gern in dem Glauben, dass unsere Eltern immer für uns da sein werden, mit ihrer ganzen Gesundheit und Kraft”, bemerkte Martha.
    “Ja. Sogar für Leute, die sich mit ihren Eltern nicht verstehen, muss es ein Schock sein, den Vater oder die Mutter schwach und bleich im Krankenhausbett zu sehen.”
    “Das liegt wohl daran, dass sie wie eine Art Bollwerk zwischen uns und unserer eigenen Sterblichkeit stehen”, überlegte Martha. “Wenn sie plötzlich krank werden, fühlen wir uns umso verletzlicher. Unsere Eltern haben uns ins Leben gesetzt, uns behütet und aufgezogen. Sie sind unsere erste Verteidigung gegen die Welt, und wenn wir sie verlieren, fühlen wir uns schutzlos.”
    Die Kellnerin schenkte Kaffee nach, sie aßen schweigend ihre Croissants, und Blake stellte bei sich fest, dass sie soeben die persönlichste Unterhaltung geführt hatten, seit sie sich kannten. Tatsache war, dass er mit niemandem in der Firma je ein Gespräch gehabt hatte, in dem es um private Dinge ging. Er sprach nicht viel von seiner Familie. Sie waren großartig, er liebte sie, aber das ging niemanden etwas an. Auf seinem Schreibtisch standen keine Fotos von den Kindern seiner Schwester, und er hatte seine Mutter noch nie ermuntert, vor einem Einkaufsbummel bei ihm in der Firma vorbeizuschauen, um mit ihm zu lunchen. Nicht, dass er etwas zu verstecken hatte. Er mochte ganz einfach nicht all den privaten Kram vor anderen Leuten ausbreiten.
    Aber es hatte gut getan, mit Martha über seine Eltern und seine Gefühle zu reden. Erstaunlich, wie leicht es ihm fiel, sich mit ihr zu unterhalten.
    Er blickte auf seine Uhr. “Möchten Sie noch etwas essen? In zirka zehn Minuten sollten wir aufbrechen.”
    “Vielen Dank, ich schaffe nicht mal dieses Croissant. Meinen Sie nicht, wir sollten das Meeting aufschieben, bis Doug dabei sein kann?”
    “Nein, ich glaube, wir kriegen das auch ohne ihn hin.”
    “Sie vielleicht. Aber ich habe von Verhandlungen und Verträgen keine Ahnung.”
    “Aber ich weiß, Sie haben nicht nur Buchführung und den Steuerkram studiert.”
    “Ach, die paar Seminare über Betriebswirtschaft … das meiste hab ich vergessen.”
    Er musste sie ermutigen, denn allein schon ihre Gegenwart zählte bei der geballten Macht des Good-Earth-Vorstands, mit der er konfrontiert sein würde. “Trotzdem wissen Sie mehr über all das Zeug als ich”, beharrte er.
    “Aber Sie haben einen Instinkt fürs Geschäft. Ich nicht.”
    Wirklich nicht? Auf anderen Gebieten hatte sie schon ihre Stärken, das wusste Blake. Sie kümmerte sich liebevoll um ihren Hund, machte sich Gedanken über ihre Eltern. Und sie besaß die Fähigkeit, ihn über Themen sprechen zu lassen, die er sonst nie anschnitt.
    “Werfen Sie einfach mit Zahlen um sich”, sagte er. “Rattern Sie die Bilanzen herunter. Sprechen Sie energisch und respektgebietend. Seien Sie autoritär. Ich werd Bruno und seine Garde mit Charme einwickeln, und Sie unterstützen mich.”
    “Falls Sie auf meinen Charme zählen, sieht es schlecht für uns aus.”
    “Ich zähle vor allen Dingen auf Ihre Klugheit, Martha, aber ganz

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