Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
gewöhnt und meistens darüber belustigt. „Hast du so allgemein Einwände gegen das Genre oder nur, weil ich sie geschrieben habe?“
„Ich …“ Verwirrt brach sie ab. „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass du Liebesromane mit Happyend und ewigem Glück schreibst, Hunter.“ Sie fuhr sich durchs Haar, während er sie ruhig betrachtete. „Liebesromane?“
„In den meisten Romanen geht es doch um Beziehungen. Ein Liebesroman stellt sie einfach nur in den Mittelpunkt.“
„Aber hattest du nicht das Gefühl, dein Talent zu vergeuden? Entschuldigung, ich will nicht herablassend sein. Ich bin nur …“ Hilflos zuckte sie die Schultern. „Ich bin nur überrascht. Nein, ich bin erstaunt. Ich sehe diese bunten, kleinen Taschenbücher überall, aber …“
„Aber du bist nie auf den Gedanken gekommen, mal eins zu lesen“, beendete er für sie. „Das solltest du ruhig, sie sind gut für dich.“
Er meinte es völlig ernst. In diesem Augenblick hätte Lee die Hälfte der Bücher ihrer privaten Bibliothek dafür gegeben, eine Geschichte von Laura Miles zu lesen.
9. KAPITEL
H och oben auf der schroffen Steilwand stand Lee und konnte hinunter auf den Canyon blicken, über die Felsspitzen und Zinnen und hinüber zu den tiefroten nackten Wänden. Sie hatte nicht gewusst, dass die Natur so herausfordernd und so anziehend war. Sie hatte nicht gewusst, dass sie sich hier zu Hause fühlen würde, so weit weg von der Welt, die sie kannte, und dem Leben, das sie führte.
Vielleicht war es das Geheimnis, das Ehrfurchteinflößende – die Jahrhunderte der Arbeit, die die Natur verrichtet hatte, Schönheit aus dem Felsen zu formen, die Jahrhunderte, die sie noch weiterhin daran arbeiten würde. Das Wetter hatte die Landschaft gestaltet, hatte in Stein gemeißelt und erschaffen, ohne Eitelkeit und Verzärtelung. Vielleicht war es die Stille, auf die sie gelernt hatte zu lauschen, die Stille, in der sie gelernt hatte, mehr zu hören, als sie je an Geräuschen gehört hatte. Oder vielleicht war es der Mann, den sie in dem Canyon entdeckt hatte, der langsam, unvermeidlich ihr Leben beherrschte, wie der Wind, das Wasser und die Sonne alles beherrschten, was um sie herum war. Auch er ohne Eitelkeit und Verzärtelung.
Erst seit einigen Tagen waren sie Liebende, und doch schien er genau zu wissen, wo ihre Stärken lagen und ihre Schwächen. Sie lernte ihn kennen, allmählich, Schritt für Schritt, immer überrascht, dass jede neue Entdeckung so natürlich kam, als hätte sie ihn immer schon gekannt.
In zwei Tagen würde sie den Canyon verlassen und den Mann. Sie würde in die Stadt zurückkehren, die Lee Radcliffe sein, die sie selbst während der Jahre geformt hatte. Sie würde in den alten Rhythmus zurückfinden, den Artikel schreiben und die nächste Stufe ihrer Karriere nehmen.
Welche Wahl habe ich, fragte sich Lee, als sie in der Nachmittagssonne stand, die auf sie niederbrannte. In Los Angeles hatteihr Leben eine Richtung, es hatte einen Zweck. Dort gab es ein Ziel: erfolgreich zu sein. Hier und jetzt schien dieses Ziel nicht wichtig zu sein, hier, wo einfach nur das Sein, einfach nur das Atmen ausreichte. Aber diese Welt war nicht die, in der sie Tag für Tag leben könnte. Selbst wenn Hunter gefragt hätte, selbst wenn sie es gewollt hätte, Lee konnte nicht ewig dieses unorganisierte, ungeplante Leben führen. Ziel, fragte sie sich. Was wäre denn hier ihr Ziel? Sie konnte nicht ewig am Lagerfeuer träumen.
Aber zwei Tage. Sie schloss die Augen und sagte sich, dass alles, was sie gesehen, alles, was sie getan hatte, für immer in ihrem Gedächtnis eingepflanzt war. Musste die verbliebene Zeit so kurz sein? Und die Zeit vor ihr sich so endlos auftürmen?
„Hier.“ Hunter stellte sich neben sie und reichte ihr das Fernglas. „Du solltest immer so weit sehen, wie du kannst.“
Sie nahm es lächelnd. Der Canyon reichte ganz nah an sie heran, wurde plötzlich persönlicher. Sie sah das Wasser des Bachs hinunterströmen, und doch war es zu weit weg, um es hören zu können. Warum war ihr nie aufgefallen, wie sich die Blätter eines Baumes glichen? Sie sah andere Camper bei ihren Lagerplätzen und wieder andere, die sich auf den Wanderwegen mit Tagesausflüglern vermischten. Lee ließ das Fernglas sinken. Es brachte sie den Menschen zu nah, machte sie zum Eindringling.
„Kommst du nächstes Jahr hierher zurück?“ Sie wollte sich an ihn so erinnern können, wie er über die endlose Weite
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