Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
blickte.
„Wenn ich kann.“
„Es wird sich nichts verändert haben“, murmelte sie. Sollte sie einmal zurückkommen, in fünf, in zehn Jahren, würde sich der Bach immer noch herabschlängeln, würden die Wände immer noch stehen. Aber sie würde nicht zurückkommen. Mit Mühe schüttelte sie den Ansatz von Niedergeschlagenheit ab und lächelte ihm zu. „Es muss fast Lunchzeit sein.“
„Es ist zu heiß, hier oben zu essen.“ Hunter wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. „Gehen wir besser hinunter und suchen etwas Schatten.“
„Gut. Irgendwo in der Nähe des Bachs.“ Sie blickte nach rechts hinüber. „Lass uns diesen Weg nehmen, Hunter. Hier sind wir noch nie hinuntergegangen.“
Er zögerte nur einen Moment. „Gut.“ Er nahm ihre Hand und schlug den Pfad ein, den sie gewählt hatte.
Der Abstieg war immer leichter als der Aufstieg. Das war eine andere unschätzbare Tatsache, die Lee in den letzten zwei Wochen gelernt hatte.
„Wirst du dein nächstes Buch anfangen, sobald du wieder zu Hause bist?“
Fragen, dachte er. Er hatte nie jemanden kennen gelernt mit einem solch unerschöpflichen Vorrat an Fragen. „Ja.“
„Hast du manchmal Angst, dir könnte nichts mehr einfallen?“
„Immer.“
Interessiert hielt sie einen Moment inne. „Wirklich?“ Sie hatte ihn als einen Mann eingeschätzt, der überhaupt keine Ängste kannte. „Ich hätte gedacht, je mehr Erfolg du hast, desto zuversichtlicher wirst du auch.“
„Erfolg ist ein Götze, der nie zufrieden zu stellen ist.“
Sie runzelte die Stirn ein wenig unbehaglich über seine Beschreibung. Doch er sprach schon weiter.
„Wenn ich vor der ersten leeren Seite sitze, wundere ich mich immer wieder von neuem, wie ich jemals durch einen Anfang zur Mitte und dem Ende einer Geschichte komme.“
„Wie schaffst du es?“
Er ging wieder weiter, so dass sie folgen oder zurückbleiben musste. „Ich denke mir eine Geschichte aus. Es ist so einfach und so schrecklich komplex.“
So ist er, dachte sie, so einfach und doch so komplex.
Je weiter sie abstiegen, desto angenehmer wurde die Temperatur. Dieser Teil des Canyons, den Lee bisher noch nicht kennen gelernt hatte, machte einen weniger wilden Eindruck. Einmal glaubte sie sogar, das Schnurren eines Automotors zu hören, ein Geräusch aus anderen Zeiten. Die Bäume wurden dicker,die Schatten großzügiger. Die nackten, unversöhnlichen Felswände lagen hinter ihnen, der freundliche, kleine Wald vor ihnen. Lee sah einen Teppich von kleinen, weißen Blumen. Sie pflückte sich drei. Und dabei bin ich gerade nicht wegen der Wildblumen gekommen, erinnerte sie sich, als sie die Blüten in ihr Haar steckte. Aber sie war froh, so froh, sie doch gefunden zu haben.
„Wie steht mir das?“
Hunter drehte sich um. Sie steckte sich gerade die letzte Blume ins Haar. Das Verlangen nach ihr, nach allem von ihr, stieg so schnell in ihm auf, dass es ihm den Atem nahm. Lenore. Er verstand, warum der Mann in Edgar Allan Poes Geschichte den Verlust seiner Lenore bis zum Wahnsinn betrauerte. „Du wirst noch schöner. Unmöglich.“ Mit einer Fingerspitze berührte er ihre Wange. Würde auch er über ihren Verlust wahnsinnig werden?
Ihr Gesicht zur Sonne erhoben, brauchte es nichts als die Leuchtkraft ihrer Haut, um es kostbar zu machen. Aber wie lange, fragte er sich, wie lange wird sie damit zufrieden sein? Wann würde sie anfangen, sich wieder nach Eleganz und feinen Sitten zu sehnen, nach ihrem Leben, das sie sich so entschlossen aufgebaut hat?
Lee lächelte nicht, weil seine Augen ihr verrieten, dass er wieder in ihr nach irgendetwas suchte. Sie legte die Hände auf seine Schultern und berührte seinen Mund mit ihren Lippen. Mit geschlossenen Augen ließ sie dann den Kopf an seine Brust sinken.
„Ich glaube nicht an Zauber und Geister“, murmelte sie. „Aber dieser Ort scheint verzaubert zu sein. Jetzt, am Tag, ist es still, vielleicht schlafen sie. Aber in der Nacht ist die Luft erfüllt von Geistern.“
Er zog sie ganz nah an sich heran und ließ sein Kinn auf ihrem Kopf ruhen. War ihr überhaupt bewusst, wie romantisch sie war? Oder war ihr bewusst, wie sie sich bemühte, es nicht zu sein? Einen solchen Gedanken wie eben hätte sie vor einer Woche nielaut ausgesprochen. In einer Woche. Hunter unterdrückte einen Seufzer. In einer Woche würde sie keinen Gedanken mehr über Zauber verschwenden.
„Ich möchte dich hier lieben“, sagte er ruhig. „Mit dem Sonnenlicht, das durch die
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