Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
eindeutiges Symptom. Beunruhigt es Sie, sich zu verlieben?“
„Das habe ich nicht gesagt.“ Wieder hielt Lee inne. Konnte jemand Ausflüchte machen, wenn er von diesen weichen Rehaugen beobachtet wurde? „Ja, es beunruhigt mich sogar sehr.“
„Ganz natürlich. Ich habe mich verliebt und wieder entliebt, so wie andere Menschen ihre Kleidung wechseln. Dann habe ich Fred kennen gelernt.’’ Bonnie lachte in ihren Tee, bevor sie einen Schluck nahm. „Ich bin wochenlang mit einem ganz merkwürdigen Gefühl im Magen herumgelaufen.“
Lee presste eine Hand auf ihren Magen, bevor sie sich erhob. Der Tee konnte auch nicht helfen. Sie musste sich bewegen. „Ichmache mir keine Illusionen über Hunter und mich“, sagte sie fester, als sie es erwartet hatte. „Für uns sind unterschiedliche Dinge wichtig, wir haben einen anderen Geschmack.“ Sie blickte durch das Küchenfenster zu den hohen, roten Naturwänden hinter dem Wald. „Verschiedene Lebensstile. Ich muss zurück nach Los Angeles.“
Ruhig trank Bonnie weiter ihren Tee. „Natürlich.“ Sollte Lee die Ironie gehört haben, ging sie nicht darauf ein. „Es gibt Menschen, die es sich steif und fest in den Kopf gesetzt haben, dass für eine Beziehung beide auf derselben Wellenlänge liegen müssten. Wenn einer heiß und innig französische Poesie des sechzehnten Jahrhunderts liebt und der andere verabscheut sie, dann ist es deren Meinung nach aussichtslos.“ Sie bemerkte Lees Stirnrunzeln, fuhr aber ruhig fort: „Fred ist ein Buchhaltertyp. Interessante Tabellen sind für ihn das Spannendste.“ Abwesend wischte sie einen Mehlflecken vom Tisch. „Nach der Theorie müssten wir wohl schon seit Jahren geschieden sein.“
Lee kehrte zum Tisch zurück, unfähig, ärgerlich zu sein oder zu lächeln. „Sie sind Hunter sehr ähnlich, nicht wahr?“
„Ich denke schon. Ist Adreanne Radcliffe Ihre Mutter?“
Lee setzte sich wieder an den Tisch. „Ja.“
„Ich habe sie auf einer Party in Palm Springs kennen gelernt, vor zwei, nein, es müssen jetzt drei Jahre her sein. Ja, drei“, betonte Bonnie. „Weil ich damals Carter, meinen Jüngsten, noch gestillt habe. Und jetzt terrorisiert er alle im Kindergarten. Sie sind überhaupt nicht wie Ihre Mutter, nicht wahr?“
Lee brauchte eine Weile, um den hin und her springenden Gedanken folgen zu können. Ohne getrunken zu haben, stellte sie ihre Tasse wieder zurück. „Bin ich das nicht?“
„Was ist Ihre Meinung?“ Bonnie warf ihr langes, mit Strähnen durchzogenes Haar über die Schulter zurück. „Ich will nicht beleidigend sein, aber sie wüsste gar nicht, was sie mit jemandem reden sollte, der nicht blaublütig geboren wurde, um es einmal so auszudrücken. Ich habe sie als eine sehr beschützte Frau eingeschätzt.Sie ist schön. Offensichtlich haben Sie ihr Aussehen geerbt. Aber das scheint auch alles zu sein.“
Lee starrte in ihren Tee. Wie konnte sie das erklären? Gerade wegen der großen äußeren Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatte sie immer geglaubt, ihr insgesamt ähnlich zu sein. Hatte sie nicht ihre ganze Kindheit und Jugend damit verbracht, diese Ähnlichkeiten zu finden, ihr ganzes Erwachsenenleben damit, sie zu unterdrücken? Eine beschützte Frau. Es war für Lee ein entsetzlicher Satz und dem zu nahe, was sie selbst hätte werden können.
„Meine Mutter hat ihre Normen“, antwortete sie schließlich. „Sie hat nie Probleme gehabt, mit ihnen zu leben.“
„Oh, jeder sollte tun, was für ihn am besten ist.“ Bonnie stützte die Ellenbogen auf den Tisch. An ihrer rechten Hand funkelten und blitzten drei Ringe. „Hunter meint, das, was Sie am besten können, ist Schreiben. Er hat von Ihrem Roman gesprochen.“
Die Irritation kam zu schnell, als dass Lee sie überspielen konnte. „Ich bin Reporterin, keine Romanschriftstellerin.“
„Ich verstehe.“ Sanft lächelnd, stützte Bonnie das Kinn auf ihre beringten Finger. „Und? Wie werden Sie Hunter in Ihrem Artikel darstellen?“
„Dass er ein Mann ist, der Schreiben als ernste Pflicht und als kunstvolle Facharbeit ansieht. Dass er einen Sinn für Humor hat, der oft so versteckt ist, dass man Stunden braucht, um ihm auf die Schliche zu kommen. Dass er halsstarrig an Glück glaubt und auch daran, dass jeder im Leben seine Wahl treffen muss.“ Sie hob ihre Tasse. „Er schätzt das geschriebene Wort, ob es nun Comic oder Klassik ist. Geschichten zu erzählen, das sieht er als seinen Beruf an.“
„Ich mag Sie.“
Lees Lächeln
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