Nur für Schokolade
Dezember 1996. und an diesem Tag soll sich zeigen, welchen Wert es für die polnische Justiz darstellt, eine Videokassette zu haben, auf der Leszek Pekalski vierzehn Morde detailliert gesteht. Er beschreibt in diesen Aufzeichnungen die Opfer sehr genau. Wie könnte er ihre Verletzungen beschreiben, die nur der Täter kennen kann und die völlig identisch mit den Untersuchungsergebnissen der Gerichtsmedizin sind, wenn er es nicht war?
Vor Prozeßbeginn hat sich eine Vielzahl von Presseleuten eingefunden, wie schon lange nicht mehr in diesem zuletzt eher 239
spärlich besuchten Prozeß. Mit diesem Aufgebot an
Journalisten hat man erst zur Urteilsverkündung gerechnet –
allerdings wurde noch am selben Abend bekannt, daß ein deutscher Fernsehsender das Geständnis Pekalskis gezeigt hat.
Sofort haben die Medien des Landes erkannt, daß sich heute einiges ändern könnte im Geschehen um den polnischen
Schlächter.
Der Prozeß beginnt. Jeder im Saal kann das siegessichere Lächeln des Staatsanwaltes sehen, der nervös auf den
Prozeßbeginn wartet. Freudestrahlend begrüßt er die Personen im Saal, die er kennt. Man sieht, daß er heute die Lorbeeren seiner fast vierjährigen Arbeit ernten will. Leszek Pekalski wird in den Gerichtssaal geführt und auch er freut sich – über das große Interesse der Presse. Als die Kameras der Fotografen auf ihn gerichtet werden, bleibt er stehen und lächelt fröhlich in die Linsen. Verärgert über sein Verhalten, ziehen ihn die begleitenden Beamten an seinen Platz. Wieder einmal interessiert ihn das Erscheinen des Gerichts nicht, viel zu sehr ist er damit beschäftigt, sich in Positur zu werfen. Verärgert eröffnet der Vorsitzende Richter den Verhandlungstag und wendet sich an den Staatsanwalt: »Herr Staatsanwalt, haben Sie den Bericht über das Verfahren Leszek Pekalskis im deutschen Fernsehen gesehen?«
»Nein!«
»Schade, sonst würden Ihnen die Haare zu Berge stehen.
Unverständlich, wie die deutsche Presse an Unterlagen kommen kann, die nur dem Gericht zugänglich sein dürfen. Es wurden Aufnahmen der Rekonstruktionen mit Ihnen und dem Angeklagten gezeigt. Doch damit nicht genug, man konnte erfahren, daß man im Besitz der Filme über die gerichts-medizinischen Untersuchungen und von Protokollen der
Polizei mit dem Angeklagten ist. Weiterhin wurde das
schriftliche Geständnis des Angeklagten, das er in seiner Zelle gefertigt hat, gezeigt. Wo, glauben Sie, Herr Staatsanwalt, hat 240
die Presse solche ungeheuerlichen Unterlagen her?«
Einer Person im Saal schnürte es die Kehle zu. Manch einer ist mehr, manch einer weniger in die Geschehnisse integriert –
und jetzt spricht der Richter verärgert davon. Was wird der Staatsanwalt sagen?
»Herr Vorsitzender, von mir ganz bestimmt nicht, wenn dann von den Polizeibeamten, die die Ermittlungen durch-geführt haben.«
»Ruhe bitte im Zuhörerraum«, fordert der Vorsitzende die Zuhörer auf, die sich lautstark unterhalten. Unverständlich für die polnischen Journalisten, was hier vorgefallen ist, denn sie erhielten in der langen Zeit des Prozesses nicht einmal ein neues Foto von Leszek.
Der Vorsitzende wendet sich Leszek zu und seine Stimme klingt noch gereizter: »Woher haben Sie Ihre neue Kleidung, die Sie seit einigen Tagen tragen?«
Leszek bleibt völlig ruhig, blickt an sich hinab und man hat den Eindruck, er sei mächtig stolz darauf. Nach einiger Zeit hebt er seinen Kopf, blickt zu dem Mann, von dem er den Anzug erhalten hat, und dreht sich dann zum Vorsitzenden.
»Vom Fernsehen.« Das ist Leszeks knappe Antwort und
danach gilt sein Blick wieder dem tatsächlich Schuldigen, als wolle er sagen: »Habe ich das gut gemacht?«
»Wie kommt das Fernsehen überhaupt in das Gefängnis, wer hat denn erlaubt, daß die dort filmen dürfen?« Und dabei wendet er sich wieder an den Staatsanwalt. Dessen Antwort schlägt wie eine Bombe ein.
»Sie, Herr Vorsitzender, Sie allein.« Ironie liegt in seiner Stimme. Erschrocken fährt der Vorsitzende zusammen und wendet sich an seine Protokollführerin. Leider kann niemand im Saal die Unterhaltung akustisch verstehen, doch jeder sieht das ständige Nicken der Beamtin, als der Vorsitzende mit dem Finger fragend auf sich deutet.
»Wir machen jetzt eine Pause von dreißig Minuten«,
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verkündet er und verläßt wutschnaubend mit den Richtern und den Geschworenen den Gerichtssaal.
In der nun folgenden Pause wird der Staatsanwalt mit
Vorwürfen der polnischen Presse
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