Nur für Schokolade
überhäuft – wie war es möglich, daß ausländische Medienleute an Unterlagen kamen, von denen sie nicht einmal wußten, daß sie existieren? Wie war es möglich, daß Leszek von einem deutschen TV-Team gefilmt wurde, und wer hatte dieses Interview erlaubt?
Gerettet wird der Staatsanwalt in diesem Moment vom
Prozeßfortgang.
»Herr Staatsanwalt, ich glaube, wir können die Beweisaufnahme nun abschließen, was glauben Sie?« Völlig ruhig kommt diese Frage, als sei vorher kein lautes Wort gefallen.
»Nein. Herr Vorsitzender, ich bin im Besitz eines Videobandes des deutschen Fernsehens, das mir eigens überbracht worden ist, auf dem der Angeklagte noch vor wenigen Tagen vierzehn Morde gestanden hat. Ich beantrage, daß dieses Band als Beweismittel anerkannt wird und dem Gericht vorgespielt werden kann.«
Leszek Pekalski wird nervös, blickt im Saal umher und kaut an seinen Händen. Ein Zeichen höchster Erregung, aber er wartet ab, was auf ihn zukommen wird.
»Herr Angeklagter, Sie haben gehört, was der Herr Staatsanwalt gesagt hat. Sie sollen ein Geständnis über vierzehn Morde abgelegt haben. Ist das richtig?«
Der Staatsanwalt sieht gespannt zur Anklagebank und lernt einen Leszek kennen, den er noch nie zuvor erlebt hat. Leszek lächelt zum Gericht und muß keine Sekunde überlegen. »Ja, das habe ich den Leuten vom Fernsehen gesagt, weil sie es hören wollten. Sie hatten mir viele Geschenke mitgebracht und ich hatte Angst, wenn ich ihnen so etwas nicht erzählen würde, bekomme ich die Geschenke nicht. Ich habe sie alle angelogen!
Es hat nichts gestimmt, was ich ihnen erzählt habe. Ich habe niemandem etwas getan, wieso sollte ich etwas gestehen?«
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»Hat man Sie dazu gezwungen, zu gestehen?« fragt der
Vorsitzende.
»Nein, aber ich wollte die Geschenke und die Leute wollten ein Geständnis, genau wie die Polizisten, die haben mir auch immer etwas versprochen, wenn ich etwas zugebe. Ich hatte das Gefühl, wenn ich ihnen nicht erzähle was sie hören wollen, bekomme ich die Geschenke nicht.« Mit einem siegessicheren, spöttischen Lächeln sieht er den Staatsanwalt an, der angewidert zusammenfährt. Erst nach einiger Zeit fängt der sich und stellt nochmal den Antrag, das Video als Beweismittel zuzulassen, vergißt aber dabei, die beiden Beamten zu erwähnen, die bezeugen können, wie alles abgelaufen ist.
Zwei Menschen, die Leszek seit Jahren betreuen und ihn besser kennen als andere in diesem Gerichtssaal.
»Das Gericht lehnt den Antrag der Staatsanwaltschaft ab.
Einverstanden, meine Herren?«
Die beiden Verteidiger nicken den Richtern zu. Der
Staatsanwalt fügt sich ebenfalls der Entscheidung des Gerichts.
Niedergeschlagen vernimmt er den Wunsch des Vorsitzenden Richters, er möge doch nach einer Pause sein Schluß-
plädoyer halten. Doch dazu ist der Staatsanwalt nicht in der Lage.
»Herr Vorsitzender, dazu bin ich heute nicht imstande, ich ersuche Sie daher, einen Termin am morgigen Tag oder besser übermorgen zu verfügen.«
»Der Termin für das Plädoyer wird auf übermorgen verlegt.«
»Für morgen«, so beschließt das Gericht, »ordnen wir eine nochmalige Tatortbesichtigung mit der Zeugin Janina C. in der Sache Sylwia R. an. Die Sitzung ist geschlossen.«
Damit endet einer der traurigsten Tage im Leben des 1954 in Posen geborenen Staatsanwaltes. Demonstrativ legt er noch im Gerichtssaal seine Robe ab und muß das hämische Grinsen des wahrscheinlich größten lebenden Massenmörders unserer Zeit 243
über sich ergehen lassen. Beim anschließenden Gang zum Mittagessen, hat er, umringt von einer Schar von Presse-menschen, nur einen Kommentar übrig: »Ich bin müde, sehr müde, der Prozeß zieht sich zu lange hin. Ich bin froh, wenn dieser Prozeß abgeschlossen ist.«
Die vielen Reporter verabschieden sich. Er weiß, daß alle Gazetten Polens morgen über den Verlauf des Prozesses berichten werden. Über seine Niederlage. Doch er ist nicht wütend, eher erschöpft, traurig, vielleicht auch verzweifelt. Es ist ihm nicht gelungen, anhand eines Videos aufzuzeigen, daß Leszek Pekalski sehr wohl die Wahrheil gesagt hat.
Nach einer Zeit, in der sich wenig Neues im Fall Leszek Pekalski ergeben hat, überschlagen sich die Zeitungen am nächsten Tag tatsächlich in den Berichten rund um den Prozeß.
Das Videoband, der Staatsanwalt, der grinsende Leszek – zu dankbar ist das Thema, als daß auch nur eine Zeitung nichts berichten würde. Hier einige Auszüge:
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Aus einem
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