Nur für Schokolade
nicht töten wollte, sondern nur heilen, heilen von seinen schlechten Gefühlen.«
»Hat diese Frau nie bemerkt, was hinter diesem Menschen steckt?«
»Nein, denn Leszek sprach nur immer über Gott und das gefiel ihr.«
»Warum warf sie ihn dann doch aus dem Haus?«
»Die Frau hatte Leszek dabei erwischt, daß er Frösche aus ihrem Teich fing und sie fürchterlich quälte. Dann beobachtete sie, daß er Büstenhalter aus ihrem Schlafzimmer stahl und diese mit einem ,sadistischen’ Blick zerschnitt. Sie bekam Angst und warf ihn hinaus.«
»Und Leszek ging so einfach?«
»Ja, denn wie gesagt, es wohnte noch ein Mann im Haus.«
»Ich habe gehört, daß Sie nun auch Leszeks Onkel anklagen wollen – wegen Entfernung von Beweismitteln?«
»Nein, das ist nicht richtig, wenn man ihn vor Gericht stellen wollte, dann wegen Meineids, denn er hat geschworen, daß Leszek immer bei ihm wohnte, und das ist nicht richtig.«
»Werden Sie Anzeige erstatten?«
»Nein, denn dieser Mann ist, Sie kennen ihn ja, alkoholkrank und das sehr schwer. Was würde da eine Verurteilung für einen Sinn machen?«
»Herr Staatsanwalt, warum war Leszek Pekalski so lange in psychiatrischer Untersuchung?«
»Wegen der Anzahl der Morde«, lautet die knappe Antwort 237
und man kann bemerken, daß er über dieses Thema nicht mehr weitersprechen will. Was ist aber mit den vielen Morden, die Leszek gestanden und wenig später widerrufen hat?
»Denken Sie an den tragischen Fall Jadwiga K., die am 7.
März 1985 als 21jährige Frau in Braniewo getötet wurde. Eine sehr hübsche Frau, wie Leszek sagte. Er sagte ihr, daß er mit ihr schlafen wolle und sie hat ihn für verrückt erklärt. Leszek begrüßte die junge Frau mit ,Dzieri dobry’, das heißt ,Guten Tag’, und weil sie sich ihm nicht hingeben wollte, bedeutete es für sie den Tod. An ihr wurde eine regelrechte Blutorgie vollzogen, wie der Gerichtsmediziner feststellte. Er verstümmelte die Leiche, um das ,letzte Wort’ zu haben, erklärte mir der Mediziner. Anschließend wurde sie ins Wasser geworfen. Nach einigen Tagen wurde die Leiche ans Ufer getrieben.
Bei den polizeilichen Ermittlungen wurde der Ehemann des Opfers verhört. Die Beamten fanden einen Abschiedsbrief des Opfers an ihn. Sie schrieb, daß sie mit ihrem Mann nicht mehr länger zusammenleben kann. Ergebnis war, daß man ihren Mann Czeslaw wegen Anstiftung zum Selbstmord verhaftet hat. Er wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, wovon er zweieinhalb Jahre absitzen mußte. Als Leszek den Mord gestand, waren seit der Tat fast acht Jahre vergangen. Zeugen gab es keine, außer dem Geständnis Leszeks, das er widerrief.«
Das Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt zieht sich über viele Stunden. Währenddessen wird klar, daß die Staatsanwaltschaft mehr als unglücklich über den bisherigen Verlauf des
Verfahrens ist. Zu viele Beweismittel sind weg. zu vieles wurde versäumt. Die Anklage stützt sich auf Dinge, die nur vage auf Leszek Pekalski deuten. Man hat sich verwirren lassen von seinen zahlreichen, in mehreren Versionen wieder und wieder gegebenen Geständnissen, hat sich einen sprich-wörtlich »kurzen Prozeß« erhofft. Und dann dies – ein juristisches Desaster. Hinzu kommt: Es gibt wohl keinen Polizeibeamten mehr in Polen, der nicht einen ungeklärten Fall 238
hat und diesen Leszek Pekalski anhängen will.
Mit ihm ist auch ein Sündenbock gefunden, auf dessen
Rücken man verschlafene und unfähig bearbeitete Ermittlungen über Nacht klären könnte. Den Höhepunkt dieser Entwicklung markiert eine Anfrage der Polizei aus Warschau an die Staatsanwaltschaft in Slupsk. Man beauftragt die Staatsanwaltschaft, zu überprüfen, ob sich Leszek Pekalski im Jahre 1965 in Warschau aufgehalten haben könnte, da man zu diesem Zeitpunkt ein Mordopfer fand, für das ein Täter bisher nicht gefunden werden konnte. Die Staatsanwaltschaft gibt die Ermittlungen an die Polizeidienststelle weiter und nach vier Monaten stellt man fest, daß Leszek Pekalski zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geboren war. Heute, mit zeitlichem Abstand, lacht man über diesen Vorfall. Unzählige solcher Ereignisse sind geschehen.
Es ist schon Nacht geworden, als der Oberstaatsanwalt aufbrechen muß. »Morgen muß ich fit sein. Ich werde dem Gericht in aller Frühe das Video vorspielen und ich hoffe doch sehr, damit Erfolg zu haben. Nochmals vielen Dank, daß Sie sich soviel Mühe gemacht haben.«
»Ich mußte immer gestehen«
Es ist Montag, der 2.
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