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Nur mit dir sind wir eine Familie

Nur mit dir sind wir eine Familie

Titel: Nur mit dir sind wir eine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Benjamin
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während der Rückfahrt so still. Fühlst du dich nicht gut, oder steckt dir der Jetlag noch in den Knochen?“
    Er war so lieb und aufmerksam, dass Charlotte sofort wieder die Tränen in die Augen stiegen. „Es tut mir leid, Sean … so, so leid“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen.
    „Was denn?“, fragte er erstaunt.
    „Dass ich dich bis ans andere Ende der Welt geschleppt habe, nur um festzustellen, dass du nicht der Einzige bist, der nicht für Kinder geschaffen ist“, sagte sie aufschluchzend. „Ich habe das Gefühl, mir die ganzen Jahre über nur etwas vorgemacht zu haben. Anscheinend bin ich doch keine gute Mutter!“

10. KAPITEL
    Sean unterdrückte den Impuls zu lachen, als er seine ausgestreckt auf dem Bett liegende Frau betrachtete. Dabei amüsierte er sich keineswegs aus Boshaftigkeit über sie, sondern weil sie die Dinge so schrecklich falsch sah. Sanft legte er ihr eine Hand auf die Schulter. „Charlotte, Liebling, das stimmt doch gar nicht“, sagte er.
    „Aber Katie war völlig außer sich, als ich sie auf dem Schoß hatte, Sean! Nur ein Blick auf mich, und sie hat gekreischt und geschluchzt“, wandte Charlotte ein. Sie drehte sich zu Sean um und blickte ihn aus tränennassen Augen an.
    Sie sah am Boden zerstört aus. Für einen Moment schwankte Sean zwischen Zuneigung und Ungeduld hin und her, doch die Zuneigung gewann die Oberhand – schließlich war er ein verständnisvoller Mann und liebte seine Frau trotz ihrer Schwächen.
    Er hatte schon lange den Verdacht gehabt, dass Charlotte ein völlig falsches, romantisch verklärtes Bild vom Muttersein hatte. Mit der Realität konfrontiert zu werden, schien einen schweren Rückschlag für sie zu bedeuten. Sean war jedoch davon überzeugt, dass sie mit ein bisschen Unterstützung darüber hinwegkommen würde.
    Er dachte an das kleine Mädchen im Waisenhaus. Sie war so klein, aber dabei so willensstark und temperamentvoll. Als sie ihn mit diesen großen braunen Augen angesehen hatte, die Charlottes so ähnlich waren, hatte sich tief in seinem Inneren etwas verändert – etwas Hartes, Kaltes und Unerbittliches in ihm hatte einen Knacks bekommen. Möglicherweise waren seine Ansichten über Kinder doch ein bisschen …verzerrt gewesen.
    In nur wenigen Minuten hatte er sich von einem kühlen und distanzierten Beobachter zu einem Mann entwickelt, der dem tapferen kleinen Mädchen vor ihm all das geben wollte, was man für Geld nicht kaufen konnte. Was die Kleine von ihm brauchte, waren Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit – genauso wie Charlotte ihm in jener stürmischen Nacht in New Orleans gesagt hatte.
    „Natürlich war sie außer sich“, sagte er und strich Charlotte das tränenfeuchte Haar aus dem Gesicht. „Wärst du das nicht auch gewesen, wenn der einzige Mensch, der in deinem Leben eine Konstante ist, dich einer völlig fremden Frau übergibt?“
    „Na ja, vermutlich schon“, räumte Charlotte ein und setzte sich neben ihn auf die Bettkante.
    „Ich wäre es jedenfalls.“ Sean zog ein Kosmetiktuch aus der Schachtel auf dem Nachttisch, reichte es Charlotte und wartete, bis sie sich die Tränen abgetrocknet hatte. „Madame Zhirkova hat doch gesagt, dass Katies Reaktion für ein Kind, das bisher ein sehr behütetes Leben geführt hat, nichts Ungewöhnliches ist. Anderen Adoptiveltern ist das unter Garantie auch schon passiert. Du hast also überhaupt keinen Grund für Selbstzweifel. Schließlich hast du Katie weder fallen gelassen noch ihr sonst irgendwelchen Schaden zugefügt, oder?“
    „Nein, das nicht“, stimmte Charlotte zu. „Aber ich konnte sie einfach nicht beruhigen. Ich hätte wissen müssen, wie ich ihr die Angst nehmen kann und …“
    „Hast du denn schon jahrelange Erfahrungen mit Kindern wie deine Mutter oder deine Großmutter früher?“, unterbrach Sean sie sanft. „So etwas kann man unmöglich in nur fünf Minuten in einem Zimmer voller unbekannter Menschen lernen.“
    „Ich dachte aber immer, ich würde automatisch eine gute Mutter sein, weil ich es mir doch so sehr wünschte.“ Niedergeschlagen sah sie ihn an. „Vier Wochen lang habe ich davon geträumt, meine Tochter endlich in die Arme nehmen zu können. Ich habe mir ausgemalt, wie wir uns anlächeln und in Babysprache miteinander kommunizieren, aber mit diesem ohrenbetäubenden Gebrüll hätte ich nie gerechnet.“
    „Charlotte, Charlotte, Charlotte“, murmelte Sean und berührte zärtlich ihre Wange. „Eine neue Aufgabe zu übernehmen, ist nie einfach,

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