Nur nicht aus Liebe weinen
wirklich nicht leisten. Und das wusste er vermutlich.
Insgeheim hatte sie gehofft, ihm irgendwann einmal als erfolgreiche und zufriedene Frau gelassen gegenübertreten zu können.
Leider war es ganz anders gekommen.
Auf ihrem Konto war sicher kaum noch Geld, und das Limit ihrer Kreditkarte hatte sie mit dem Kauf ihres Flugtickets voll ausgeschöpft. Auch von Jamie war momentan vermutlich keine finanzielle Unterstützung zu erwarten.
Noch tiefer kann ich wohl kaum fallen, dachte sie. Und so überraschte es sie nicht im Mindesten, dass sich ihre Pechsträhne noch weiter auszudehnen schien.
Plötzlich riss seine Stimme sie aus ihren Gedanken. „Versuch wach zu bleiben. Wenn du dich nicht auf diese Zeitzone einstellst, wirst du sicher noch einige Tage mit dem Jetlag zu kämpfen haben.“
Als sie widerwillig die Augen öffnete, stand er mit einem Becher Kaffee vor ihr.
„Der Kaffee wird dir helfen, auf die Beine zu kommen.“
Sie sah ihn missbilligend an. „Wenn das ein Friedensangebot sein soll …“
„Dann kannst du gut darauf verzichten. Vielleicht können wir uns ja erst mal auf einen einfachen Waffenstillstand einigen.“
Zähneknirschend gab sie schließlich nach und nahm den Kaffee an. Er war stark – ohne Milch und Zucker. Eigentlich genau so, wie sie ihn mochte. Aber es kostete sie große Überwindung, sich einzugestehen, dass Daniel genau ihren Geschmack getroffen hatte.
Er ließ sich auf dem gegenüberstehenden Sofa nieder und betrachtete sie skeptisch. „Wie soll es denn jetzt nach diesem Fehlschlag beruflich weitergehen für dich?“
„Ich habe nie gesagt, dass es ein Fehlschlag war“, verteidigte sie sich. „Das brauchtest du auch nicht. Man kann dir ansehen, dass du schweren Herzens die Segel streichen musstest.“
An ihrem Kaffee nippend versuchte sie, in Gedanken eine glaubwürdige mildere Kurzfassung der tatsächlichen Geschehnisse zu formulieren. „Man könnte sagen, mein Partner und ich hatten nicht mehr dasselbe Ziel vor Augen.“
Voller Ironie hob Daniel eine Augenbraue. „Das habe ich doch irgendwann schon einmal gehört.“ Sein bissiger Kommentar traf sie tief. „Ist deine Entscheidung endgültig, oder ist noch ein Happy End möglich?“
„Was soll das heißen?“ „Ist es wirklich vorbei? Oder wartest du nur darauf, dass er auf Knien um Vergebung bittet?“
Bei dem Gedanken wurde ihr plötzlich ganz schwindlig. „Das wird ganz sicher nicht passieren. Und jetzt möchte ich nicht weiter darüber reden.“
„Wie mir scheint, liegt es bei euch in der Familie, Dinge totschweigen zu wollen. Aber die Probleme lösen sich meistens nicht von selbst, oder bist du anderer Meinung?“
„Ja, bin ich“, erwiderte sie kühl. „Manche Dinge kann man eben nur mit sich selbst ausmachen.“
„Warst du deshalb in Florida so schwer zu erreichen?“
Natürlich nicht, dachte sie. Ich war nicht zu erreichen, weil Andy die Miete für unser Büro nicht gezahlt hat und irgendwann auch der Telefonanschluss abgestellt wurde. Aber davon habe ich nichts geahnt.
„Jamie ist zwar mein Bruder, aber ich bin ihm nicht über jeden meiner Schritte Rechenschaft schuldig. Und das Gleiche gilt für ihn.“
„Das merkt man. Von der neuen Frau in Jamies Leben zu hören hat dich ein wenig überrumpelt, nicht wahr?“
„Jamie hatte schon viele Freundinnen und wird wohl auch in Zukunft noch die eine oder andere haben. Daran ist nichts Besonderes.“
„Ich glaube, Sandra ist für ihn etwas Besonderes.“
„Ist sie das? Natürlich weißt gerade du das ganz genau. Du warst für zwei Jahre völlig aus unserem Leben verschwunden, und jetzt bist du auf einmal Jamies engster Vertrauter?“
„Du bist diejenige, die sich nicht bei ihm gemeldet hat. Ich habe ihn in den letzten Monaten viel besser kennengelernt.“
Irgendetwas an Daniels Worten machte sie nervös.
Jamie war nur ein einfacher Buchhalter in einem kleinen Unternehmen. Daniel hingegen hatte noch vor seinem dreißigsten Geburtstag das Verlagsimperium seiner Familie übernommen und war einer der einflussreichsten Unternehmer im ganzen Land. Was steckte nur hinter dieser plötzlichen Vertrautheit?
Denn eigentlich war Daniel nie mit Jamie befreundet gewesen, sondern immer mit Simon.
Laine seufzte. Der Gedanke an ihren geliebten älteren Bruder schmerzte noch immer unendlich. Simon war stets so fröhlich gewesen, so voller Leben. Und der beste Freund, den man sich denken konnte. Seit der sechsten Klasse waren er und Daniel unzertrennlich
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