Nur wenn du mich hältst (German Edition)
Bo.
„Heulsuse.“
Kim nannte die Kampagne, mit der sie seinem Sohn zu helfen versuchten, „Operation AJ“, und dafür liebte Bo sie noch mehr. Sie und die anderen Bewohner von Fairfield House wollten den Jungen wegen seiner Ängste und der Unsicherheit unterstützen. Er war wie ein Unfallopfer, dem eine Gliedmaße fehlte, aber das hinderte Kim nicht daran, weiterzumachen. Und manchmal funktionierte es. Manchmal gelang es ihr und ihm, seinen Sohn zu überraschen und aufzumuntern, ein Lächeln in sein Gesicht zu zaubern. Anders als er hatte AJ überhaupt keine Probleme mit Schnee und rannte jeden Tag von der Schule nach Hause, um an Schneeschuhausflügen teilzunehmen, Schnee-Engel im Garten zu machen oder in den Catskills Schneemobil zu fahren.
„Ich dachte, heute ist ein guter Tag, um auf dem Willow Lake Schlittschuh zu laufen. Blauer Himmel und kalte Luft – das sind die perfekten Voraussetzungen“, sagte Kim eines Nachmittags. „Was meint ihr?“
„Für mich nicht“, sagte Bo.
AJ saß auf einem Hocker in der Küche und aß seinen liebsten Nachmittagssnack – Cheetos. „Ich würde es gerne mal ausprobieren.“
„Es bringt Höllenspaß. Ich bin sicher, es wird dir gefallen.“
Kim bedachte ihn mit einem triumphierenden Blick und hatte innerhalb kürzester Zeit alles organisiert. Sie rief sogar Noah und Sophie Shepherd an, um sie einzuladen. Das war der Moment, in dem Bo erkannte, dass jeglicher Widerstand zwecklos war.
Auf dem Eis wimmelte es nur so vor Schlittschuhläufern. Kinder zogen ihre Schlitten und Autoreifen den Hügel am Seeufer hinauf und sausten ihn so oft es ging hinunter, bevor die Dämmerung hereinbrach. Einige Touristen trotzten der Kälte, um das winterliche Herzstück der Stadt zu fotografieren, eine hausgroße Eisskulptur in der Form eines alten Forts.
Kim lieh für AJ ein paar Schlittschuhe aus und begab sich mit ihm auf den See. Ihre geduldige, beschützende Art mit dem Jungen machte ihn mutiger und gab ihm Selbstvertrauen. Es dauerte nicht lange, da schlitterte er bereits etwas wackelig übers Eis und lachte mit ihr. Bo stand am Rand der Eisfläche und beobachtete die beiden. Wenn er seine Augen ein wenig zusammenkniff und sein Herz öffnete, konnte er sie sich alle drei als Familie vorstellen.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich dich mal hier draußen sehe“, sagte Noah und gesellte sich zu ihm. „Du schienst mir bisher allergisch gegen den Winter zu sein.“
„Bin ich immer noch.“ Er war von seinen sentimentalen Gedanken peinlich berührt. „Gut, dass ich keine weiteren Kinder mehr haben will, denn ich friere mir gerade die Eier ab. Nach dem heutigen Tag werde ich zeugungsunfähig sein.“
„Dein Junge scheint den Winter zu mögen.“
„Ja, wer hätte das gedacht? Aber ihm geht es nicht so gut. Seit wir die Nachricht von der Abschiebung seiner Mutter erhalten haben … Ich höre, wie er sich nachts im Bett herumwälzt. Er sieht auch blass aus und hat dunkle Ringe unter den Augen. Ich will nicht lügen, Noah, ich mache mir große Sorgen.“
Noah nahm seine Sorgen ernst. Als geborener Tierarzt hatte er eine natürliche Affinität für verwundete Kreaturen, doch als er jetzt sprach, tat er es als Vater. „Nachdem Buddy und Aissa zu uns kamen“, sagte er und bezog sich auf seine Kinder aus Afrika, „hatten sie ihre Probleme. Besonders Buddy – er war fünf, alt genug, um sich an zu viel zu erinnern.“
Bo war überrascht. Aus seiner Perspektive waren die Shepherds immer die perfekte Patchworkfamilie gewesen. „Was meinst du mit Problemen?“
„Die Gewalt“, sagte Noah. „Der Verlust. Das hat sie verfolgt. Ich sage nicht, dass AJ ansatzweise das Gleiche erlebt hat wie meine Kinder, aber diese erzwungene Trennung, dieser Verlust, der schneidet tief ins Herz.“
Guter Gott, dachte er, Noah hat recht. AJ zeigte Anzeichen eines Traumas. „Was denkst du, was ich tun soll?“
„Genau das, was du gerade tust. Sei für ihn da, hilf ihm.“
Während sie zusahen, näherte sich AJ zögernd einer Gruppe Kinder seines Alters, und Kim glitt mit der Eleganz einer Eiskunstläuferin davon.
„Wie geht es sonst?“, frage Noah. „Das Medientraining und so?“
„Ich hatte keine Ahnung, wie wenig Baseball mit Baseball zu tun hat. Oh, und ich steh auf meine Lehrerin.“
„Das habe ich mir schon gedacht.“ Noah wirkte nicht überrascht. „Mach dir keine Sorgen. Das passiert in allen Pygmalion-Geschichten.“
Bo runzelte die Stirn. „Pyg… was?“
„Aus der
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