Nur wenn du mich hältst (German Edition)
nicht dort eingekehrt war.
In dem Augenblick, als sie in die willkommen heißende Wärme der gut besuchten Bäckerei trat, wusste sie, das war die beste Entscheidung, die sie seit Langem getroffen hatte. In der Luft hing der Duft von Zucker, Hefe und Butter. Die Wärme und die Gerüche waren beinahe berauschend – Zimt, Schokolade, frisch gebrühter Kaffee, knuspriges Brot. Das Lachen und die Unterhaltungen der Gäste wurden vom Zischen und Gurgeln der Espressomaschine untermalt. Mit dem Schachbrettfußboden und der geschmackvollen Einrichtung sah das Café noch dazu ganz entzückend aus.
Kim betrachtete die Ware in den gläsernen Auslagen – Butterhörnchen, mit Marzipan, Himbeeren oder mit Schokolade gefüllte Croissants, zauberhafte Kuchen mit handgemachter Zuckerverzierung, rustikale Brotlaibe. Sie bestellte eine Tasse Tee und einen Ahornriegel mit Zuckerguss. Wenn sie ihre Diät schon in den Wind schoss, konnte sie es auch gleich richtig machen, wie ihre Mutter es formulieren würde. In ihrer alten Wohngegend in L.A. wurde der Verzehr von Gebäck wie diesem als Verbrechen angesehen.
Sie schlenderte durch das Café und wartete darauf, dass ein Platz frei wurde. Womöglich war sie nur besonders empfindlich, aber überall sah sie glückliche Paare, die einander über den Tisch hinweg anlächelten, Händchen haltend in der Warteschlange standen oder intime Blicke tauschten. So kurz nach dem Ende ihrer Beziehung mit Lloyd sollte ihr das keinen Stich versetzen, doch das tat es. Sie mochte es nicht, allein unter Menschen zu sein. Sie mochte es nicht, allein zu sein. Punkt.
Gut, dass ich ein Haus voller Leute habe, die mir Gesellschaft leisten, dachte sie.
Die Wochenendbesucher und Tagesausflügler aus der Stadt freuten sich offensichtlich darauf, sich in die Weiten des Catskill-Parks zu stürzen, einem Naturreservat, dessen ursprüngliche Wildheit erhalten geblieben war. Es war eine gute Gegend für alle Arten von Wintersport, da hier zuverlässig immer eine ausreichend dicke Schneedecke lag. Die Menschen trugen bunte Anoraks und Mützen und sprachen aufgeregt über das perfekte Wetter – Neuschnee, klarer Himmel. Kim stellte sich vor, dass einige auf dem Weg zum Eisklettern im Deep Notch waren, andere zum Skifahren am Saddle Mountain. Außerdem konnte man auf dem Willow Lake Schlittschuh laufen und im Hinterland auf Schneeschuhen wandern oder mit Schneemobilen herumfahren. Alle schienen sich darauf zu freuen, einen Tag in der erfrischenden Kälte zu verbringen, weit weg von ihren Handys und E-Mails und fest im Griff von Mutter Natur. Die Menschen wirkten zufrieden. Ein Gefühl, das ihr in jeder ihrer bisherigen Beziehungen gefehlt hatte. Sie hatte sogar aufgehört zu glauben, dass es überhaupt möglich wäre, diesen Zustand zu erreichen.
Früher habe ich den Winter geliebt, dachte sie. Vielleicht tat sie es immer noch. In letzter Zeit hatte sie kaum darauf geachtet, was sie mochte und was nicht.
Am Tresen wurde ein Platz frei, von dem aus sie aus dem großen Fenster auf die Straße schauen konnte. Sie setzte sich mit ihrem Tee und ihrem Ahornteilchen hin. In dem Moment, in dem sie ihre Zähne in den weichen, köstlichen Teig grub, sah sie Sterne und musste sich zurückhalten, um nicht laut aufzustöhnen. In diesem Augenblick vergaß sie Lloyd, vergaß, dass ihr Leben gerade in sich zusammenfiel, vergaß ihre verrückte Mutter und ihre unsichere Zukunft. Wenn jeder Tag mit einem Ahornriegel beginnen würde, dachte sie, hätten wir den Weltfrieden.
Ihr fielen die an den Wänden hängenden gerahmten Fotografien auf, die Avalon, den Willow Lake und den Catskill-Park von ihrer schönsten Seite zeigten – gebadet in goldenes Licht, die Farben weich und gedämpft wie von einem Meister gemalt.
Neben der Kasse lag ein Stapel Bücher, auf dem ein Schild verkündete: „Ganz neu! Von der Autorin signiert!“ Der Titel des überformatigen Buchs lautete Essen für die Seele: Küchenweisheiten aus einer Familienbäckerei von Jennifer Majesky McKnight. Das Cover zeigte die mehlbedeckten Hände einer älteren Frau, die einen Brotteig durchkneteten.
Auf einem kleinen Tresen lag eine Auswahl Tageszeitungen. Während Kim darauf wartete, dass ihr Tee auf Trinktemperatur abkühlte, blätterte sie den Avalon Troubadour durch. Darin hatte Jennifer Majesky McKnight eine regelmäßige Kolumne; diesmal ging es um die eingehende Betrachtung der Eigenschaften von Kakao.
Kim nippte an ihrem Tee und überflog die Artikel. Sie
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