Nur wenn du mich hältst (German Edition)
okay, aber der Name war mein Leben lang eine Last. Mama stand auf Jerry Jeff Walker. Sie liebte seine Lieder so sehr, dass sie sich die Initialen JJW auf den unteren Rücken tätowieren ließ.“
Kim schaffte es, ihre Mimik unter Kontrolle zu behalten. „Sie muss ein ziemlicher Fan sein.“
„Sie hat ihren Namen Gertrude in Trudy geändert, weil so ein Titel von ihm heißt. Ich habe auch einen Bruder namens Stoney.“
„Noch ein Jerry-Jeff-Walker-Song, nehme ich an?“
„Genau. Ein Lied über einen Wein trinkenden Mystiker. Ich spiele ihn Ihnen irgendwann mal vor.“
„Dann sind Sie also Musiker?“
„Ich spiele Bass und ab und zu Pedal-Steel-Gitarre. Allerdings nicht beruflich“, sagte er. „Und keine Sorge, ich übe lautlos mit Kopfhörern, versprochen.“
„Und wo arbeiten Sie?“ Eine berechtigte Frage. Sie war zwar neu im Führen eines Gästehauses, aber bestimmt sollte sie diese Frage stellen.
„Ich habe für die Hornets hier in Avalon gepitcht. Wenn ich es mir in der Nebensaison nicht leisten kann, in den Süden zu fahren, jobbe ich als Barkeeper in der Hilltop Tavern. Im Frühling werde ich mit den Yankees trainieren und versuchen, einen Platz in ihrer Top-40-Mannschaft zu bekommen.“
„Die Yankees“, wiederholte sie und verspürte ein flaues Gefühl im Magen. „Wie die New York Yankees?“
„Genau, Ma’am. Ich habe lange genug darauf gewartet. Im November war ich wie jedes Jahr in Florida für die Prüfungen. Und wie jedes Jahr hatte ich erwartet, dieselben Sprüche zu hören – leider kein Platz in unserer Mannschaft. Diesmal gab es jedoch eine freie Stelle unter den Pitchern.“
Kim merkte, wie ihr übel wurde. Mit einem Bassisten konnte sie umgehen. Ein großer Mann mit langen Haaren und blauen Augen – damit kam sie klar. Aber ein Sportler? Einer aus der Major League? Das war ein Albtraum. Nach dem Fiasko mit Lloyd wollte sie nichts mehr mit Sportlern zu tun haben. Egal wobei. Und hier stand einer vor ihr und wollte in das Haus einziehen, in dem sie lebte. Es schien tatsächlich ein Fluch auf ihr zu lasten. Welchen Gott hatte sie verärgert? Welche karmische Grenze hatte sie überschritten?
Sein Lächeln schwand allmählich. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“
„Äh, ja. Warum fragen Sie?“
„Sie sehen ein wenig grün aus im Gesicht. Normalerweise reagieren die Leute anders, wenn ich erzähle, dass ich vielleicht für die Yankees pitchen werde. Oder zumindest bezichtigen sie mich, an Wahnvorstellungen zu leiden.“
Sie schluckte schwer. „Nein. Ich glaube Ihnen. Das muss sehr aufregend sein.“
„Das ist es.“ Er grinste wieder.
Unter anderen Umständen wäre das eine verheißungsvolle Begegnung gewesen – eine PR-Expertin und ein frischer Major-League-Spieler. Sie konnte einfach nicht anders, es lag in ihrer Natur – sie fing an, den Mann abzuschätzen. Das Erste, was ihr auffiel, war, dass er für einen Anfänger schon ziemlich alt war. Seinem Aussehen und dem Alter seines Sohnes nach zu urteilen war Bo Crutcher Ende zwanzig oder Anfang dreißig. Sie ertappte sich dabei, Spekulationen über ihn anzustellen. Was war seine Geschichte? Welches Image transportierte er? Wenn das hier Realität und nicht irgendeine Fantasie war, musste dieser Mann noch ordentlich geschliffen werden.
Sie hatte einen sechsten Sinn dafür, was nötig war, um es im Profisport zu schaffen. Talent war nur der Anfang. Ein Profi stellte heute ein Gesamtpaket dar, in dem alles zu angemessenen Teilen vorhanden war. Natürlich Talent, aber es gab auch andere grundlegende Elemente, die für den Erfolg eines Sportlers wichtig waren. Seine Entschlossenheit und sein Herz. Sein Aussehen und seine Persönlichkeit. Die Art, wie er sich präsentierte. Vor allem, wenn es um die Yankees ging. Während der Saison befanden sich zu jedem Zeitpunkt des Tages mindestens fünfzig Reporter im Clubhaus, die Zugang zu fast allen Bereichen hatten. Die öffentliche Rolle eines Spielers war entscheidend. Dieser Kerl … er hatte etwas. Mit seiner Löwenmähne, diesem Gesicht … Es war schwer, den Blick von ihm zu lösen. Sie ertappte sich dabei, die Klarheit seiner eisblauen Augen zu bewundern, den Schwung seiner Lippen …
Kim rief sich zur Ordnung. Bo Crutcher war noch nicht ansatzweise bereit. Sie fragte sich, ob er das wusste. Und sie fragte sich, wieso sie das interessierte. Sie verspürte einen Hauch irrationaler Verärgerung auf ihre Mutter, die auf den Markt gegangen war und sie allein zurückgelassen
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