Nur wenn du mich hältst (German Edition)
„Wirklich?
„Hm, hm. Ein paar von meinen Mannschaftskollegen haben ihr geholfen, das Haus zu streichen.“ Bo schaute sich in der Nachbarschaft um, ließ den Blick über den Mittelstreifen mit den hohen, gerade gewachsenen Bäumen schweifen. Auf beiden Seiten der Straße standen stattliche, hundert Jahre alte Gebäude auf großen Grünflächen. Die meisten waren von reichen Leuten erbaut worden, die im Sommer der Hitze in der Stadt hatten entfliehen wollen. Die überwiegende Zahl war liebevoll restauriert und wurde von der neuen Elite Avalons in Schuss gehalten – aufstrebende junge Berufstätige, die ihr Geld im Technikbereich, als Anwalt oder als Banker gemacht hatten. Andere Gebäude waren in Büros für Bauunternehmer und ortsansässige Firmen und in Praxen für Ärzte umgewandelt worden. Allen war gemeinsam, dass ihr Äußeres gut erhalten geblieben war.
Er schaute zu AJ, um dessen Reaktion auf dieses Bilderbuchviertel zu sehen. Der Schnee verlieh der Gegend eine ruhige, altertümliche Atmosphäre, sodass man erwartete, jederzeit könnte ein Pferdeschlitten um die Ecke biegen. Sein Sohn hatte eine verschlossene Miene aufgesetzt und die Arme abwehrend vor der Brust verschränkt. Diese Haltung kannte er bereits – der vollkommene Schutzpanzer.
Fairfield House stach heraus wie eine Hure in der Kirche. Die kunstvollen architektonischen Details waren in verschiedenen Rosatönen gestrichen worden. Am schmiedeeisernen Zaun hing ein Schild, auf dem stand: Fairfield House, erbaut ca. 1886, Zimmer zu vermieten.
„Die Vermieterin hat im obersten Stock eine Suite mit zwei Räumen frei“, sagte er. „Es gibt jeden Morgen ein Selbstbedienungsfrühstück und abends ein Abendessen, was mehr ist, als ich in meiner Wohnung über der Bar bekomme.“ Trotzdem jagte ihm der rosafarbene Zuckerbäckerstil des Hauses Schauer über den Rücken. Er ließ sich das jedoch nicht anmerken, sondern stieg cool aus dem Wagen und bedeutete AJ, ihm zu folgen. Das Tor quietschte rostig in den Angeln, als er es öffnete, und ihre Schritte knirschten auf dem mit Salz gestreuten Weg, der zu den Stufen der Veranda führte. Die Gartenmöbel darauf waren aus weißem Rattan, sie wirkten zierlich und steckten für den Winter unter durchsichtigen Plastikhüllen. Einige Töpfe mit toten Pflanzen hingen traurig von den Dachbalken, vergessene Überbleibsel wärmerer Tage.
Bo straffte die Schultern und drückte auf den Klingelknopf. In letzter Sekunde fiel ihm ein, dass Dino die Besitzerin als sehr korrekt beschrieben hatte, und so setzte er schnell seinen Hut ab. AJ hielt sich ein wenig hinter ihm. Der Junge überschlug vermutlich gerade im Kopf, wie lange er brauchen würde, um wieder zum Auto zurückzurennen. Ungeduldig betätigte Bo erneut die Klingel.
Die Glocke war eher ein Gong. Vor dem welligen Bleiglas der Haustür hing von innen eine zarte Spitzengardine. Durch sie hindurch konnte er jemanden näherkommen sehen. Er fühlte sich jetzt schon vollkommen überfordert. Mrs … er zog die Karte aus der Hosentasche, die Dino ihm gegeben hatte, um noch mal den Namen der Vermieterin nachzulesen. Mrs Penelope van Dorn.
Van Dorn. Na, das war doch mal ein klassisch klingender Name. Sehr etepetete. Sie war vermutlich der Typ Lehrerin.
Die Tür wurde abrupt geöffnet. „Kann ich Ihnen helfen?“
Für einen Moment konnte Bo nicht sprechen oder sich bewegen oder denken.
Sie war absolut kein Lehrerinnentyp.
Vor ihm standen ungefähr einhundertfünfundsiebzig Zentimeter purer Sex. Ihr langes, glänzendes Haar fiel in Wellen bis zur Mitte ihres Rückens. Trotz ihrer Größe verfügte sie über Kurven an genau den richtigen Stellen, sodass er förmlich Vögel und Bienen um seinen Kopf schwirren fühlte wie in einem Comic. Jimi Hendrix’ „Foxy Lady“ klang ihm in den Ohren. Während er diese unglaubliche rothaarige Schönheit in der Tür anschaute, wurde sein Mund trocken, und seine Zunge schien zu ätzendem Staub zu zerfallen. Als er sich schließlich zwang, sein Gehirn wieder in Gang zu setzen, kreiste nur ein Gedanke darin.
Ich bin verloren .
9. KAPITEL
Das darf doch nicht wahr sein, dachte Kim und trat beiseite, um ihre Besucher einzulassen. Ihre Mutter hatte nicht ahnen können, was sie da anrichtete. Sie hatte ihr nur erzählt, es würden zwei neue Gäste einziehen. Nie hätte sie gedacht, dass es sich ausgerechnet um diesen Mann handelte. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit? Offenbar hatte sie das Universum sehr verärgert.
Eine der
Weitere Kostenlose Bücher