Nur Wenn Du Mich Liebst
vorgeschlagen, und sie hatte gelacht, ohne genau zu wissen warum, und gesagt, sie würde es sich überlegen.
Was gab es da noch zu überlegen? Sie würde sich Peter Bassett auf gar keinen Fall in ihrer wenig schmeichelhaften Jogginghose oder schlimmer noch in einem Trikot präsentieren. Sie war dermaßen außer Form, dass sie wahrscheinlich keine zehn Minuten auf dem Laufband durchhalten würde. Sie war seit Urzeiten nicht mehr im Fitnessstudio gewesen. Nicht besonders schlau von ihr, denn regelmäßiger Sport würde ihr nicht nur helfen, die überschüssigen Pfunde loszuwerden, sondern sie auch auf andere Gedanken bringen. Alles in allem verbrachte sie zu viel Zeit damit, sich Sorgen über ihre Mutter zu machen, mit ihrer Tochter zu streiten und alles zu essen, was ihr in die Quere kam. »Ich sehe schrecklich aus«, sagte sie laut.
»Du siehst okay aus«, sagte Owen, der hinter ihr aufgetaucht war, und küsste sie auf die Wange.
»Danke«, erwiderte Susan matt.
Okay
war nicht direkt eine enthusiastische Bestärkung.
»Schönen Tag«, sagte er auf dem Weg aus der Tür.
Eine Minute später hörte Susan das Garagentor klappern. »Dir auch«, murmelte sie.
»Führst du wieder Selbstgespräche?«, fragte Ariel trocken und steckte ihren Kopf herein. Ihre frisch mit Gel gehärteten schwarz-blauen Haare standen von ihrem Kopf ab wie Stacheln.
Susan fuhr zusammen wie neuerdings jedes Mal, wenn sie ihre ältere Tochter sah, den kleinen zarten Engel, den sie an ihrer Brust genährt und dessen weiches goldenes Haar so wundervoll kindlich und verheißungsvoll geduftet hatte. Verheißung worauf?, fragte Susan sich in dem Bemühen, Dr. Slotnicks Rat zu befolgen und positiv zu denken.
Also gut: Ariel hatte wunderschöne Augen, auch wenn sie darauf bestand, ihre Lider mit etwas zu beschmieren, das aussah wie mehrere Schichten schwarzer Ruß; sie hatte eine wunderbar sanfte Haut, auch wenn das unter all dem weißen Puder bisweilen schwer zu erkennen war; sie hatte eine tolle Figur, obwohl die Lumpen in Übergröße, die sie mit Vorliebe trug, alles andere als kleidsam waren. Außerdem hatte sie einen scharfen Verstand.
Und eine noch spitzere Zunge.
Positiv denken. Positiv denken.
Sie hatte einen eigenen Willen.
War das positiv?
»Wo hast du denn das Kleid her?«, fragte Ariel mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.
Aus demselben Laden, in dem ich auch meinen violetten Pulli gekauft habe, dachte Susan, fragte jedoch stattdessen: »Solltest du nicht längst in der Schule sein?« Sofort verfluchte sie sich still. Das war auf jeden Fall ein denkbar ungeeignetes Thema, wenn sie eine Konfrontation vermeiden wollten. Hatte Dr. Slotnick ihr nicht gesagt, dass es Sache der Schule war, sich mit Ariels chronischer Unpünktlichkeit zu befassen? Das ist deren Thema, nicht Ihres, hatte der Therapeut mit dem schütteren Haar erklärt.
Sie erinnerte sich an den Tag, an dem Peter Bassett sie zum ersten Mal in sein Büro gerufen hatte. Er hatte mit der Schule seiner Tochter telefoniert und über das gleiche Problem gesprochen. Kein Wunder, dass er sie so gut zu verstehen schien. Wir haben vieles gemeinsam, dachte Susan lächelnd.
Ariel lächelte überraschenderweise ebenfalls, was ihre ausgeprägten Grübchen trotz des weißen Puders zum Vorschein brachte, das ihr Gesicht bedeckte, jedoch am Hals aufhörte, sodass sie aussah wie das Opfer einer schleichenden Hautkrankheit. »Ja«, gab sie zu, während sie mit den Fingern der rechten Hand die Knöchel ihrer linken Hand knacken ließ und Susan versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. »Ich bin zu spät, und in der ersten Stunde schreiben wir einen wichtigen Mathe-Test.«
»Dann solltest du dich schleunigst auf den Weg machen.« Susan sah auf ihre Uhr und vergewisserte sich, dass sie die Zeit auch richtig abgelesen hatte. Fast neun Uhr. Wenn Ariel in dieser Sekunde aufbrechen würde, hätte sie vielleicht noch eine Chance, pünktlich zur Schule zu kommen. Aber sie war noch nicht einmal angezogen. Oder vielleicht doch? Susan versuchte, nicht allzu offensichtlich auf das verdreckte Sweetshirt und die zu weite, zerrissene Jeans zu starren, die ihre Tochter anhatte.
»Stimmt irgendwas nicht?« Schon Ariels Ton war eine Herausforderung.
Susan schüttelte den Kopf und starrte auf ihre Zehen.
Wer nicht beißt, kann nicht kämpfen.
»Ich hatte gehofft, du bringst mich.«
»Ich soll dich bringen?«
»Zur Schule. Damit ich meinen Test nicht verpasse.«
Susan hielt den Atem an, zählte
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