Nur Wenn Du Mich Liebst
höher waren, als sie sie normalerweise bequem tragen konnte. Doch ein wenig Erhebung kann ich jetzt wirklich brauchen, entschied sie.
Irgendwas brauche ich jedenfalls, das steht fest, dachte sie.
»Susan, kann ich Sie noch kurz sprechen?«, fragte Peter Bassett, als sie nach der morgendlichen Redaktionssitzung den Konferenzraum verlassen wollte.
»Selbstverständlich.« Susan bewegte ihre Zehen in den Schuhen, die den ganzen Vormittag gekniffen hatten, und beobachtete, wie die anderen Redakteure samt ihren Assistenten den Raum verließen.
»Schließen Sie doch bitte die Tür!«
Sofort schloss sie die Tür des großen Raumes, einer von insgesamt nur zwei Räumen, die nicht komplett verglast waren. Peter hielt die Konferenzen lieber hier ab, weil es weniger Ablenkung gab: keine Fenster nach außen oder in die Redaktion und auch sonst nichts, was einen schweifenden Blick fesseln konnte. Vier beigefarbene Wände, ein langer Holztisch und sechzehn uninteressante Stühle. Die einzigen Farbtupfer waren die gerahmten Titelbilder von
Victoria
an einer Wand, die übrigen Wände waren kahl. Auf einer Anrichte an einem Ende des Raumes stand eine Kaffeemaschine, daneben ein Teller mit unangerührten Muffins.
Den ganzen Vormittag lang hatte Susan gegen den Drang angekämpft, einen davon zu nehmen, doch sie war zehn Minuten zu spät gekommen, als die Konferenz schon im vollen Gange war, und keiner der um den Tisch Versammelten hatte etwas gegessen. Diese ganzen verdammten Bohnenstangen, fluchte sie still und dachte, dass sie sich schon anhörte wie Barbara. Wann hatte sie angefangen, sich über so etwas Sorgen zu machen? »Tut mir Leid, dass ich so spät war«, sagte sie, bevor ihr Chef sie dafür tadeln konnte.
»Alles in Ordnung?«
Susan zuckte die Achseln. Derselbe alte Kram, sagte ihr Schulterzucken.
»Macht Ihre Tochter immer noch Probleme?«
Susan lächelte. »Ich sollte es nicht so an mich ranlassen.«
»Das ist manchmal sehr schwer. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Es ist trotzdem keine Entschuldigung für meine Verspätung.« Sollte nicht er all diese Dinge sagen?, fragte Susan sich.
»Vergessen Sie's«, erwiderte er stattdessen. »Davon geht die Welt nicht unter. Wie geht es Ihrer Mutter?«
»Nicht so toll.«
»Das tut mir Leid.«
»Danke.« Sie kehrte zu ihrem Stuhl zurück und fragte sich, warum sie hier war. Sie hatte angenommen, dass Peter sie für ihre Verspätung rüffeln und daran erinnern wollte, dass sie bei allem Verständnis für ihre familiäre Situation eine Zeitschrift produzieren müssten und ihre persönlichen Probleme ihre Arbeit nicht beeinträchtigen dürften. Hatte Judi Butler nicht vor einigen Monaten aus diesem Grund ihre Entlassungspapiere bekommen? Doch stattdessen erklärte ihr Boss ihr, sie solle sich keine Sorgen machen. Und er sah sie nicht knurrig an, sondern lächelte, die Beine ausgestreckt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Wollten Sie etwas mit mir besprechen?«, fragte sie vorsichtig.
»Ich wollte Ihnen einen Zwischenbericht über die bisherigen Fortschritte geben.«
»Einen Zwischenbericht? Über die bisherigen Fortschritte?« Wovon redete er?
»Sie dachten doch nicht etwa, dass ich Ihre Verbesserungsvorschläge für unsere Zeitschrift vergessen habe, oder?«
Susan brauchte eine Weile, bis sie begriff, worauf Peter Bassett sich bezog. Ihr erstes Gespräch lag so lange zurück, dass sie sich nicht einmal genau daran erinnern konnte, was sie eigentlich vorgeschlagen hatte.
»Im Zeitschriftengeschäft bewegen sich die Dinge sehr langsam. Die Verantwortlichen mögen es nicht, wenn man an einer erfolgreichen Formel herumexperimentiert, selbst wenn diese Formel schon ziemlich verbraucht ist. Ich habe Schwierigkeiten, die allmächtigen Vorstände davon zu überzeugen, die angepeilte Zielgruppe zu verändern, vor allem im Licht der steigenden Verkaufszahlen. Das Management meint, dass sich die Auflage nur steigern lässt, wenn
Victoria
weiter glatt, nett und vor allem seicht daherkommt.« Er schüttelte den Kopf. Das ist unser gemeinsamer Kampf, sagte die Geste. »Aber ich möchte, dass Sie wissen, dass ich noch nicht aufgegeben habe, sondern weiter auf Verbesserungen dränge. Außerdem bin ich entschlossener denn je, ein paar gehaltvolle Artikel einzuschmuggeln.«
»Wie soll das gehen?«
»Ganz vorsichtig«, sagte er zwinkernd. »Hier eine Seite, dort eine Seite mit mehr Hintergrund, mehr Kontext, mehr Tiefe. Wer weiß, vielleicht schaffen wir es
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