Nur Wenn Du Mich Liebst
einem Tisch in der Ecke und sah sie mit diesem unheimlichen kleinen Lächeln an, mit einer grinsenden Fratze wie ein steinerner Wasserspeier, die ihr sagte, dass er später noch viel mit ihr vorhatte, bis sie kaum noch von einem Tisch zum anderen gehen konnte, ohne zu stolpern oder etwas zu verschütten.
Nach drei Monaten wurde sie entlassen.
(»Es tut uns Leid. Wir wissen, dass es nicht Ihre Schuld ist.«)
Barbara schlug vor, dass sie sich einen Job in einem Hochhaus mit Sicherheitsdienst besorgen sollte. Schließlich fand Chris sogar eine entsprechende Anstellung als Empfangssekretärin einer Werbeagentur im zwölften Stock eines vierzehnstöckigen Gebäudes mit 24-Stunden-Wachdienst, wurde jedoch nach vier Monaten entlassen, nachdem Tony die Agentur mit Anrufen terrorisiert hatte. (»...aber wir haben hier ein Geschäft zu führen.«)
Chris erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen Tony, doch sie blieb wirkungslos. Genauso wie die zweite, die sie Tony unter die Nase hielt, als er sie eines Abends von der Arbeit nach Hause verfolgte. Einstweilige Verfügungen waren das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben waren, hatte er ihr erklärt. Kugeln waren mächtiger als Papier, Fäuste nachdrücklicher als Gerichtsurteile. Wenn die einstweiligen Verfügungen überhaupt etwas bewirkten, dann nur, dass Tony noch wütender wurde, noch entschlossener, ihr das Leben zur Hölle zu machen.
»Vielleicht musst du ihn erschießen«, hatte Vicki schlicht erklärt, und Chris hatte in ihrem Gesicht vergeblich nach einem Anzeichen dafür gesucht, dass es ein Witz war. »Mach dir keine Sorgen«, versicherte sie ihr. »Ich werde dich verteidigen. Du musst keinen Tag lang ins Gefängnis. Das verspreche ich dir.«
Ist das die Lösung?, dachte Chris und fragte sich, ob sie es könnte. Er hat mir alles genommen: meine Kinder, mein Zuhause, meinen Seelenfrieden. Aber das reichte ihm immer noch nicht.
Ich werde auf deinem Grab tanzen,
hatte er ihr einmal erklärt.
Ich werde auf deinem Grab tanzen,
sagte das Telefon jetzt.
»Wollen Sie nicht ans Telefon gehen?«, fragte das kleine Mädchen.
»Ans Telefon gehen«, wiederholte Lydia laut. »Ans Telefon gehen. An das verdammte Telefon gehen.«
»Himmel Herrgott, Chris, was ist denn hier los?« Dr. Marcus stand plötzlich hinter ihr. Er nahm den Hörer von der Gabel und atmete tief ein. »Tierklinik Mariemont«, schnurrte er.
»Gott sei Dank«, hörte Chris eine Frau rufen. »Ich versuche es schon seit einer halben Stunde, und die Leitung wird immer wieder unterbrochen.«
»Wir hatten Probleme mit der Telefonanlage«, sagte Dr. Marcus rasch und warf Chris aus seinen kleinen Knopfaugen einen fragenden Blick zu. »Was kann ich für Sie tun?«
Chris ließ sich auf ihren Stuhl fallen, sah leeren Blickes zum Fenster, lauschte der beruhigenden Stimme des Arztes, der ihr den Bleistift aus der Hand nahm und den Namen der Frau am Telefon in seinen Terminkalender schrieb. Wie lange würde es dauern, bis sie auch diesen Job verlor, dachte sie.
»Ja, Mrs. Newman, ich bin ganz Ihrer Meinung. Es klingt in der Tat beunruhigend. Wenn Sie mit Snuggles gegen vier Uhr vorbeikommen, werden wir versuchen, sie noch dazwischenzuschieben. Und nochmals Verzeihung wegen der Probleme mit der Telefonleitung.« Wieder sah Dr. Marcus Chris fragend an. »Stimmt irgendwas nicht?«, fragte er leise.
»Nein, Herr Doktor. Tut mir Leid. Kein Problem«, antwortete Chris.
»Das Telefon funktioniert ganz normal?«
Wie aufs Stichwort fing es wieder an zu klingeln.
»Ans Telefon gehen«, wies Lydia sie laut und deutlich an. »An das verdammte Telefon gehen.«
Chris spürte sämtliche Blicke auf sich, als sie den Hörer abnahm. »Mariemont Tierklinik«, sagte sie munter.
»Hallo, Nutte«, sagte die vertraute Stimme.
Chris wurde blass und ließ den Hörer auf den Schreibtisch fallen.
Dr. Marcus nahm ihn und hielt ihn an sein Ohr. »Hallo? Hier ist Dr. Marcus. Kann ich Ihnen helfen?« Nach einem kurzen Schweigen sagte er. »Selbstverständlich. Wir behandeln Hunde aller Art. Wann würden Sie gern vorbeikommen?« Der Doktor schlug ungeduldig die Seiten des großen Terminkalenders um. »Nächsten Dienstag um zehn ist sehr gut. Und Ihr Name bitte. Smith? Nun, den kann man sich gut merken.«
War es möglich, dass sie sich verhört hatte, fragte Chris sich. Spielte ihre Phantasie ihr böse Streiche? Hörte sie Dinge, die schlicht nicht existierten?
»Und der Name des Hundes?... Montana?«, wiederholte Dr. Marcus,
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