Nur Wenn Du Mich Liebst
an.
»Entschuldigen?«
»Für meine Unhöflichkeit und das, was ich gesagt habe.«
»Das ist wirklich nicht nötig.«
»Ich kann am nächsten Mittwoch nicht«, erklärte Emily Hallendale mit einfältigem Gesicht, während Charlies winziger weißer Kopf unter ihrem dicken schwarzen Nerzmantel hervorlugte. »Nach dem ganzen Theater, das ich gemacht habe, weil Sie die Termine durcheinander gebracht haben, ist mir auf dem Weg zum Auto wieder eingefallen, dass ich am Mittwoch eine Sitzung leiten soll.«
Chris lächelte. »Kathleen wird sich darum kümmern«, sagte sie und zog ihren braunen Stoffmantel über, während Kathleen sie am Empfang ablöste.
»Dr. Marcus hat gesagt, Sie haben gekündigt?«, fragte Kathleen, als ob sie es möglicherweise falsch verstanden hätte.
»Sie kündigen?«, wiederholte Emily Hallendale.
»Sie kündigen?«, kam das laute Echo der auf ihrem Käfig sitzenden Lydia.
»Doch hoffentlich nicht wegen irgendetwas, das ich gesagt habe!«, rief Emily sichtlich entsetzt und griff sich mit der Hand an die Brust. Sofort begann der weiße Pudel, die Finger abzulecken.
»Nein«, erwiderte Chris rasch. »Glauben Sie mir, Sie hatten nichts damit zu tun.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Emily.
Das Telefon fing wieder an zu läuten. Nach dem ersten Klingeln nahm Kathleen ab. »Mariemont Tierklinik.«
Chris hielt den Atem an und spürte, wie sämtliches Blut aus ihrem Gesicht wich.
»Hallo? Hallo? Ist da jemand?« Kathleen zuckte die Achseln und legte den Hörer wieder auf die Gabel. »Vermutlich verwählt.«
Chris packte ihre Handtasche. »Ich muss los.«
Sie war schon halb auf der Straße, als sie eine Hand an ihrem Ellenbogen spürte. »Was willst du von mir? Du hast gewonnen! Ich gebe auf! Kannst du mich nicht einfach in Frieden lassen?« Sie fuhr herum, unsicher, was sie zuerst sehen würde – Tony oder seine zum Schlag erhobene Faust.
Stattdessen sah sie Emily Hallendale.
»Oh, Verzeihung. Ich dachte, Sie wären jemand anderes.«
»Derselbe Jemand, der Sie den ganzen Nachmittag angerufen hat?«
Chris sagte nichts, weil sie ihrer Stimme nicht traute.
»Die haben Sie auf dem Weg aus der Praxis verloren«, erklärte Emily ihr und zog eine Schachtel Beruhigungsmittel aus der Tasche ihres Nerzmantels.
Chris riss alarmiert die Augen auf.
»Ich glaube, Sie könnten eine Tasse Kaffee vertragen«, sagte Emily.
Chris entschied, dass sie einen Nervenzusammenbruch hatte, dass Emily Hallendale und ihr winziger weißer Pudel gar nicht existierten und sie deshalb dem Vorschlag dieser Erscheinung auch getrost folgen konnte.
»Wir gehen zu mir«, sagte Emily.
24
»Möchtest du eine Tasse Kaffee?«
»Nein danke.« Susan lächelte Vicki an, die aufrecht neben ihr saß. Ihr kanariengelber Hosenanzug biss sich mit den grell rosafarbenen Wänden und den weinroten Plastikstühlen des Krankenhauswarteraums. Die Augustsonne fiel durch die dünnen Jalousien und bildete auf dem weißen Linoleumfußboden ein Zebrastreifenmuster. Auf diversen im Raum verteilten kleinen Tischen lagen Stapel erstaunlich aktueller Zeitschriften. Künstliche kalte Luft blies aus verschiedenen Luftschlitzen in ihr Gesicht, und Susan fragte sich, wie ein Raum gleichzeitig zu heiß, zu kalt und zu stickig sein konnte. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, dass du hier bist. Ich weiß, wie beschäftigt du bist.«
»Heute war ein ruhiger Tag«, erwiderte Vicki.
Susan wusste, dass sie log und wahrscheinlich mehrere Termine abgesagt hatte, um hier zu sein.
»Wie geht es ihr?«, fragte Vicki.
»Nicht gut.«
»Was sagen die Ärzte?«
»Dass sie nichts mehr tun können und sie wahrscheinlich nicht einmal mehr eine Woche zu leben hat.« Susan blickte den langen Korridor hinunter zu dem Zimmer, in dem ihre Mutter unter der schlecht sitzenden blonden Perücke, die Susan ihr gekauft hatte, nachdem ihre Haare ausgefallen waren, kaum wiederzuerkennen, lag und schlief. All die Jahre, in denen Operationen, Chemotherapie und Bestrahlungen einander ablösten, hatte die arme Frau die Hälfte ihres Gewichtes verlieren lassen und ihr sämtliche Kraft geraubt, die sie gebraucht hätte, um gegen den unbarmherzigen Fortschritt des Krebses anzukämpfen.
Vicki nickte verständnisvoll und fasste Susans Hand. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Du hilfst mir schon.«
»Soll ich irgendwen anrufen? Deinen Bruder und deine Schwester...?«
»Kenny fliegt heute Abend ein. Und ich versuche immer noch, mich aufzuraffen, Diane
Weitere Kostenlose Bücher