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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jahren nicht mehr gesehen.
    Nein, sie hatte keine Kinder.
    Und ihre Freundinnen waren mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Vickis Kanzlei boomte, sie wurde von Tag zu Tag berühmter; Susan hatte kürzlich mehrere Artikel in der
Cincinnati Post
veröffentlicht und war als Hauptrednerin für ein Symposium zum Thema Sex am Arbeitsplatz eingeladen worden; und Barbara schmiedete fleißig Pläne für ihre Hochzeit im Herbst.
    Barbara, dachte Chris, und musste trotz ihrer Tränen lächeln. Sie wischte sich die Augen; die Erinnerung an die Berührung von Barbaras Lippen war trotz der verstrichenen Zeit immer noch gegenwärtig. War es möglich, dass Tony die ganze Zeit Recht gehabt hatte? Dass er mit seinem verdrehten und verkorksten Verstand auf eine Wahrheit gestoßen war, die ihr selbst nicht bewusst gewesen war?
    Chris zuckte die Achseln. Welchen Unterschied machte es schon? Barbara litt ganz offensichtlich nicht unter ähnlicher Verwirrung. Sie wollte in einem halben Jahr einen wundervollen und aufmerksamen Mann heiraten. Welche Erweckung Chris in jener Nacht in Barbaras Schlafzimmer auch erlebt haben mochte, die Offenbarung blieb allein ihr vorbehalten. Der Kuss, den sie und Barbara getauscht hatten, war ebenso kurz wie unerwartet gewesen. Doch mehr als alles andere hatte dieser Kuss Chris' Schicksal besiegelt; danach gab es kein Zurück mehr.
    Damit hatte sie alle überrascht, vor allem Tony, am meisten jedoch sich selbst. Anfangs hatten alle erwartet, dass sie zu Tony zurückkehren würde. Er hatte sich reuig gezeigt, Wagenladungen von Blumen geschickt, sich oft und ausführlich entschuldigt. Er versuchte, sie zu überzeugen, dass das Ganze nur ein Spiel gewesen sei. Er hatte gerade die Tür aufmachen wollen, als sie plötzlich verschwunden war. Auch sie müsse doch den komischen Aspekt der Geschichte sehen. Später würden sie bestimmt gemeinsam Tränen über diese Episode lachen.
Hey, weißt du, wie ich dich in deiner Supergirluniform in die eisige Kälte hinausgeworfen habe.
    Doch Chris lachte nicht, und sie kehrte auch nicht nach Hause zurück. »Du wirst deine Kinder nie wieder sehen«, drohte er ihr und machte diese Drohung auch wahr. Chris schauderte immer noch, wenn sie an Montanas Gesichtsausdruck zurückdachte, als jene sich angewidert von ihrer Mutter abgewandt hatte, die praktisch nackt im Schneetreiben stand und um Einlass bettelte, damit sie sich weiter misshandeln lassen konnte. Nie wieder wollte Chris diesen Ausdruck im Gesicht eines anderen Menschen sehen.
    Sie war so müde, dachte sie jetzt, und kämpfte gegen den Drang an, sich auf dem stählernen Behandlungstisch zusammenzurollen und einfach einzuschlafen. Sie war müde, das Objekt von Verachtung und Spott, Mitleid und Sorge zu sein. Müde der beunruhigten Gesichter ihrer Freundinnen und ihrer eigenen Beteuerungen, dass alles in Ordnung war. Müde, von einer unscheinbaren kleinen Wohnung in die nächste zu ziehen, die Spielregeln und Handgriffe eines neuen Jobs zu lernen, den sie sowieso nicht behalten würde. Sie war müde, sich ständig umzusehen, müde, in Angst zu leben. Müde der Enttäuschungen und der Einsamkeit. Müde, müde zu sein.
    Worauf wartete sie noch?
    Die Antwort war so einfach.
    »Verdammt«, flüsterte sie, als ihr die Lösung deutlich wurde.
    »Dr. Marcus«, rief eine der anderen Assistentinnen, und erst jetzt bemerkte Chris, dass er immer noch neben ihr stand.
    »Ich komme sofort.« Dr. Marcus zögerte, als hätte er Chris' Gedanken erraten.
    »Gehen Sie ruhig«, erklärte Chris ihm. »Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen. Alles in Ordnung.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Vielen Dank für alles.«
    Nachdem der Doktor gegangen war, stand Chris mehrere Sekunden absolut reglos in der Mitte des Raumes, bevor sie rasch die Türen sämtlicher Wandschränke aufriss, bis sie die gesuchten Medikamente gefunden hatte. Sie vermutete, dass sich Beruhigungsmittel für Tiere nicht groß von denen für Menschen unterscheiden konnten. Wenn man eine ganze Packung davon schluckte, waren sie bestimmt genauso tödlich. Sie steckte erst eine, dann noch eine Schachtel Tabletten ein. Wozu der Geiz? Sie konnte ebenso gut auf Nummer sicher gehen. Vielleicht würde sie im nächsten Leben als Emily Hallendales kleiner Pudel wiedergeboren werden.
    Chris kehrte an den Tresen zurück, um ihren Mantel und ihre Handtasche zu holen, und stellte überrascht fest, dass Emily Hallendale dort auf sie wartete.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, setzte sie

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