Nur Wenn Du Mich Liebst
weiß nicht. So gegen sieben, glaube ich.«
»Um sieben Uhr hat Howard Kerble mit seinem Sohn zu Abend gegessen«, sagte Lieutenant Jacobek.
»Es war später«, korrigierte Tracey sich sofort. »Vielleicht eher gegen neun.«
»Er ist erst um kurz vor zehn im Haus seines Sohnes aufgebrochen.«
»Dann war es zehn. Welchen Unterschied macht es, wie spät es war?«
»Sei still, Tracey«, sagte Vicki noch einmal. »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte sie die Kriminalbeamten.
»Wir versuchen lediglich herauszufinden, was geschehen ist«, erklärte Lieutenant Jacobek, wie Vicki es erwartet hatte.
»Steht meine Mandantin unter Verdacht?«
»Ist sie Ihre Mandantin?«
»Steht sie unter Verdacht?«
»Wir haben in Traceys Kleiderschrank einen blutigen Golfschläger gefunden und in ihrer Schmuckschatulle einen Diamantring.«
»Was fällt Ihnen ein, an meine Sachen zu gehen?«, protestierte Tracey. »Brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl oder so was?«
»Halt die Klappe, Tracey«, sagte Vicki und sah Susan an, die den Atem anhielt.
»Ich wiederhole meine Frage: Steht meine Mandantin unter Tatverdacht?«
»Noch besser, Frau Anwältin«, antwortete Lieutenant Jacobek. »Sie ist verhaftet.«
Susan stockte der Atem, als die beiden Beamten auf Tracey zugingen.
»Sie haben das Recht zu schweigen«, begann Lieutenant Gill.
Tracey kicherte. »Das ist ja genau wie im Fernsehen.«
»Du sagst kein einziges Wort mehr«, herrschte Vicki sie an, während die Polizeibeamtin weiter Traceys Rechte herunterleierte. »Ruf ihren Vater an«, wies Vicki Susan an und folgte den Polizisten, die eine verwirrt aussehende Tracey aus der Küche führten. »Wenn er noch nicht zu Hause ist, hinterlass ihm eine Nachricht. Sag ihm, er soll mich so schnell wie möglich auf dem Präsidium treffen.«
»Und was dann?«, fragte Susan.
»Esst euer Abendessen. Schlaft euch gründlich aus. Ich habe so ein Gefühl, dass alles noch viel schlimmer kommen wird.«
29
Chris saß reglos in ihrer dunklen Wohnung. Der Fernsehschirm flimmerte ohne Ton. Bilder von Barbara, Tracey und dem Haus in der Grand Avenue attackierten abwechselnd ihre benommenen Augen, bis sie sie beinahe nicht mehr wahrnahm: Barbara, die ihr Mona-Lisa-Lächeln lächelte, das minimal wenig Muskeln bewegte und doch die uneingeschränkte Freude in ihrem Herzen vermitteln konnte; Barbara, deren Augen vor mütterlichem Stolz strahlten, ihre Arme eng um Tracey geschlungen, die ausdruckslos in die Kamera starrte; Tracey als pummeliges Kleinkind, als lockiges Püppchen, als linkischer Teenager in einem rosa Taftkleid mit einer einzelnen Locke, die ihr zwischen den großen, leeren Kreisen ihrer Augen in die Stirn fiel. Warum ist mir diese Leere vorher nie aufgefallen, fragte Chris sich. Oder erschien einem Tracey nur rückblickend so emotionslos? Es war einmal ein Mädchen klein, konnte Chris Barbara zu dem fortgesetzten Bilderbombardement singen hören, das hatte hübsche Locken fein... Chris saß starr da, und ein stechender Schmerz durchbohrte ihr unregelmäßig schlagendes Herz wie ein Messer, sodass sie sich daran erinnern musste zu atmen.
Wie hatte das passieren können? Wie konnte einem so wunderbaren Menschen wie Barbara etwas so Schreckliches zustoßen? Wie konnte Tracey in irgendeiner Weise dafür verantwortlich sein? Nein, das war einfach nicht möglich. Irgendjemand hatte sich geirrt. Barbara war nicht tot; Tracey war nicht als ihre Mörderin verhaftet worden. Nichts von dem, was Susan ihr erzählt hatte, war wahr. Susan spielte ihr einen üblen Streich. Sie war nur wütend darüber, dass sie nach der Beerdigung nicht wie versprochen bei Barbara übernachtet hatte und den ganzen Tag und die halbe Nacht verschwunden war.
»Wo bist du gewesen?«, wollte sie wissen, ohne auch nur hallo zu sagen, sobald Chris den Hörer abgenommen hatte. »Ich habe den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen.«
»Was ist los?«, fragte Chris zurück, weil sie wusste, dass irgendwas nicht stimmte, und Angst hatte, sich vorzustellen, was es sein könnte.
»Hast du es noch nicht gehört? Wo zum Teufel bist du gewesen?«
»Was soll ich gehört haben? Was ist los?«
»Oh Gott.«
In diesem Moment war Chris' der Magen durch den Darm in die Knie gesackt. Ihr erster Gedanke galt ihren Kindern. Montana oder einer der Jungen hatte einen Unfall gehabt. Montana war inzwischen alt genug, selber zu fahren. Wenn ihr irgendetwas zugestoßen war... »Sag es mir«, stieß sie mit einem eigenartigen
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