Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Paulus am 25. Januar aufgeführt wurde, ziemlich eng an den biblischen Bericht seiner Bekehrung, wie er in der Apostelgeschichte erzählt wird.«
    Um sich herum hörte Susan das Geräusch von Stiften, die über Papier huschten wie winzige wilde Mäuse, und bemerkte, dass sie selbst seit Beginn der Vorlesung noch kein Wort notiert hatte. Sie klappte ihr Notizbuch auf und tastete in der großen Leinentasche vor ihren Füßen nach einem Stift. Sofort spürte sie, dass etwas an ihrem Finger klebte, wie ein Blutegel aus einem Süßwasserteich, und dieses Gefühl rief sofort eine unangenehme Erinnerung an ihre Kindheit wach, als ihre Eltern mit ihr, ihrem älteren Bruder und ihrer kleinen Schwester im Sommer in ein Ferienhaus gefahren waren und sie darauf bestanden hatte, gleich am ersten Nachmittag ins Wasser zu gehen, obwohl ihre Mutter sie vor Egeln gewarnt hatte. Doch sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, vor ihrer kleinen Schwester anzugeben, um auf die Ermahnungen ihrer Mutter zu hören, und mit mehreren hässlichen, schwarzen Klümpchen an Armen und Beinen wieder aus dem Wasser gekommen, die ihre Schwester nur in die Flucht gejagt hatten. Sie hatte vergeblich versucht, die Egel abzuziehen, und damit alles nur noch schlimmer gemacht, Blut sickerte in kleinen Zickzackrinnsalen an ihren Gliedmaßen herunter. Ihre Mutter erklärte, dass man die schrecklichen Viecher nicht abziehen konnte, ohne die darunter liegende Haut zu beschädigen, dass sie sich vielmehr nur mit einer großzügigen Portion Salz entfernen ließen. »Und danach musst du sie essen«, hatte ihr Bruder sie schadenfroh geneckt und sie kreischend und heulend über den Strand gejagt, bis ihre Mutter sie eingefangen und ihr versichert hatte, dass der Einzige, der die hässlichen Biester vielleicht essen müsste, ihr Bruder war.
    Susan zog erleichtert die Hand aus der Tasche, bemerkte jedoch gleichzeitig entsetzt den angelutschten organgefarbenen Lutscher, der an ihrem Zeigefinger klebte. »Na super«, murmelte sie lauter als beabsichtigt.
    »Verzeihung, Mrs. Norman«, sagte Professor Currier sofort, »wollten Sie dem Seminar etwas mitteilen?«
    Der Teufel sollte seine großen Ohren holen, dachte Susan kopfschüttelnd. Die mussten auch alles mitkriegen.
    »Verzeihung«, murmelte sie, zog heftiger als nötig an dem anstößigen Lutscher, sodass er zerbrach, mehrere Stücke zu Boden fielen und wie Scherben zersplitterten.
    »Ein kleiner Snack, Mrs. Norman?«, fragte Professor Currier, senkte das Kinn und sah sie über den Rand seiner Nickelbrille hinweg an.
    Verfügt der Mann auch über einen Röntgenblick?, fragte Susan sich, während mehrere Studenten in der Nähe nervös lachten, möglicherweise dankbar, dass nicht sie Gegenstand seines beißenden und gefürchteten Spotts geworden waren.
    »Man sollte meinen, dass gerade Sie mit den Gefahren des Essens zwischen den Mahlzeiten vertraut sind«, bemerkte der Professor, und sein Blick kehrte zu seinem Skript zurück, bevor sie das volle Ausmaß seiner Andeutung begreifen konnte. »In
The Conversion of St. Paul
«, sagte er, als ob der eine Gedanke logisch aus dem anderen folgen würde, »sehen wir die gewohnten Elemente kirchlicher Dramen aus dem zwölften Jahrhundert, darunter die Bekehrung eines Sünders und das knappe Entrinnen vor gefährlichen Feinden sowie einen andauernden Konflikt zwischen weltlicher Macht und der Kraft göttlicher Erlösung.«
    Susan spürte, wie ihre Haut unter ihrem weißen Pulli brannte, ihr Hals rosa anlief und ihre Wangen dunkelrot leuchteten. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen! Wie konnte er es wagen, sich über ihr Gewicht lustig zu machen!
    Aber hatte er das wirklich getan, bremste sie sich sofort wieder. Oder war sie bloßüberempfindlich? Vielleicht sollte seine Bemerkung lediglich ein leichter Tadel für ihre Störung der Vorlesung sein. Wahrscheinlich weiß er, dass er tödlich langweilig ist, und nutzt deshalb gewisse Situationen dankbar, um die Veranstaltung aufzulockern. In Zukunft würde sie sorgfältig darauf achten, ihm keine derartige Gelegenheit mehr zu bieten. Sollten die anderen Studenten seine schlecht gelaunten Sticheleien erdulden. Sie konnten es ab. Sie waren härter und stärker und mindestens zehn Jahre jünger als sie.
    Wem will ich hier etwas vormachen?, dachte sie und sah sich verstohlen in dem überhitzten Raum um. Es waren kleine Kinder, Herrgott noch mal, die meisten noch Teenager, ihre Gesichter unfertige Leinwände, die darauf

Weitere Kostenlose Bücher