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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wort
niedlich
nie in den Sinn gekommen wäre.
    »Ich bin gleich am Ende des Flures, wenn Sie mich brauchen.«
    Vicki blickte auf den blank geschrubbten Boden, atmete tief ein und öffnete die Tür zum Zimmer ihres Vaters.
    Der Mann in dem Einzelbett in der Mitte des Raumes hatte eine Gesichtsfarbe wie gelblicher Kalk. »Bald passt du genau zu den Wänden, Daddy«, sagte Vicki und bewegte sich zögernd auf das Bett zu, während sie die zerbrechliche Gestalt des Mannes ansah, der nur fünf Jahre älter war als ihr Mann.
    Er starrte sie aus seinen wässrigen hellbraunen Augen an, die einen Ton heller waren als ihre eigenen, und lächelte dasselbe angespannte Lächeln, an das Vicki sich aus ihrer Kindheit erinnerte, obwohl sie sofort erkannte, dass er keine Ahnung hatte, wer sie war. Seit mindestens einem Jahr hatte er praktisch gar keine Erinnerung mehr.
    »Und wie behandeln sie dich hier, Daddy?«
    »Gut«, kam die prompte Antwort. »Sehr gut.«
    »Tut mir Leid, dass ich dich so lange nicht besucht habe.«
    »Du warst beschäftigt«, sagte er, als verstünde er.
    »Ja, genau. Weißt du noch, was ich mache, Daddy?«
    »Du warst sehr, sehr beschäftigt«, wiederholte ihr Vater und starrte auf das Gemälde einer verschneiten Landschaft an der Wand gegenüber.
    »Ich bin Anwältin, Daddy. Genau wie du. Bei Peterson, Manning und Carlysle an der Mercer Street. An die erinnerst du dich doch, oder?«
    »Natürlich«, sagte er, und sein Kopf wippte auf seinem dünnen Hals auf und ab. Dabei ragte sein Adamsapfel so steil hervor, dass er aussah wie ein Kind, dem ein verschluckter Bauklotz im Hals stecken geblieben war.
    Vicki beugte sich vor, strich die wenigen weißen Haare glatt, die sich auf dem kahlen Kopf ihres Vaters aufrichteten, und zupfte den Kragen seines Flanellschlafanzugs zurecht. »Im vergangenen Jahr bin ich in die Geschäftsleitung berufen worden. Ich weiß nicht, ob ich dir das schon erzählt habe.«
    »Du warst beschäftigt.«
    »Na ja, du weißt ja, wie verrückt es in einer großen Kanzlei zugehen kann. Aber es war gut. Ich habe ein wichtiges Teilurteil im McCarthy-Fall gewonnen. Vielleicht hast du davon in der Zeitung gelesen. Es war auf der Titelseite.« Sie hielt inne. Was plapperte sie da? Ihr Vater hatte garantiert keine Ahnung, wovon sie redete. Sie bezweifelte, dass er in den letzten Jahren auch nur einen Blick in die Zeitung geworfen hatte.
    »Das ist sehr gut«, sagte ihr Vater. »Gut für dich.«
    Ja, gut für mich, dachte Vicki, ließ sich auf einen Stuhl fallen, den sie sich ans Bett gezogen hatte, und lächelte still über die feine Ironie. »Gut für dich«, war wahrscheinlich das Netteste, was ihr Vater je zu ihr gesagt hatte, und er hatte keine Ahnung, dass er es sagte. Sie hätte beinahe laut gelacht, während sie an ihrem Vater vorbei auf den Baum starrte, dessen Äste am Fenster kratzten und dessen leuchtende Herbstblätter gegen die bleiverglasten Scheiben schlugen. »Es ist für die Jahreszeit ziemlich warm«, sagte sie.
    »Ja«, stimmte ihr Vater ihr zu.
    »Du solltest sie bitten, mit dir draußen spazieren zu gehen.«
    »Draußen spazieren gehen. Ja, es ist ziemlich warm für die Jahreszeit.«
    Vicki zog ihre rote Strickjacke enger um ihren Körper. Trotz der für die Jahreszeit zu warmen Temperaturen und dem überheizten Zimmer fröstelte sie. »Na, dann soll ich dir wohl mal erzählen, was es Neues gibt«, sagte sie mit falscher Fröhlichkeit.
    Ihr Vater lächelte sein knappes Lächeln, dasselbe knappe Lächeln, mit dem er sie verspottet hatte, als sie den Buchstabierwettbewerb in der fünften Klasse verloren hatte, mit ihrem Rhetorikteam in der High-School nur Zweite geworden war und ihre Englischklausur an der Uni nur mit Zwei plus bestanden hatte. Nichts, was sie getan hatte, war je gut genug gewesen. Oder, Daddy?, dachte Vicki jetzt und wünschte, sie könnte dieses schreckliche Grinsen von seinem Gesicht wischen. Nichts, was irgendwer je getan hatte, war gut genug gewesen.
    War ihre Mutter deshalb gegangen?
    »Deinen Enkeln geht es sehr gut«, sagte Vicki laut, um ihre unangenehmen Gedanken zu übertönen. »Kirsten wächst wie Unkraut. Sie ist mittlerweile dreizehn und fast einen ganzen Kopf größer als ich. Warte, ich habe ein Foto.« Sie suchte ihre Brieftasche in der großen Tasche, zog einen leicht zerknitterten Schnappschuss von Kirsten heraus und hielt ihrem Vater das Bild hin. »Also, das Bild ist ehrlich gesagt schon ein paar Jahre alt. Verdammt, ich dachte, ich hätte

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