Nuramon
Händen.« Sie schaute in die Runde. »Wir holen ihr Speisen aus der Küche«, sagte Gaeria. »Die Fürstin meinte, es müssten flüssige Mahlzeiten sein. Eine Suppe, ein dünner Brei, Milch.«
Nuramon nickte.
»Und heute ist ihr Badetag«, erklärte Gaeria. »Sie wollte sich Zöpfe flechten lassen.«
Nuramon musste lächeln. »Als wir zum ersten Mal in Alvarudor waren, habe ich ihr oft das Haar gewaschen«, sagte er. Dann atmete er durch, und sein Lächeln starb. »Sie ist hilflos.«
»Du bist nicht allein, Herr«, sagte Gaeria, und die anderen Frauen stimmten ihr zu. So brachten sie Daoramu einen dünnen Brei aus Milch und Hafer, und Nuramon fütterte sie mit aller Geduld. Am Mittag dann trug er sie im Badegewölbe die Stufen ins Wasser hinab. Auch Nerimee und die Dienerinnen waren dort. Sie waren in die weiten Badehemden mit den tiefen Rückenausschnitten gehüllt, die Daoramu so liebte.
Nuramon wusch seiner Frau das Haar, die Dienerinnen passten auf, dass ihr Kopf stets über dem Wasser blieb, und als er fertig war, schauten er und Nerimee zu, wie die Dienerinnen Daoramu auf eine Decke am Beckenrand betteten und sie einölten. Sie massierten ihr die Schultern, sie sprachen mit ihr und erzählten ihr von den Dingen, die in der Stadt geschehen waren. Und als Daoramus Hände getrocknet waren, feilten sie ihr die Nägel. Inmitten all dieser Alltäglichkeiten, die auf Nuramon nun aber beinahe wie eine Zeremonie wirkten, lag Daoramu und rührte sich nicht.
Zurück in ihren Gemächern, konnte Nerimee ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. »Sie ist wie ein schlafendes Kind«, sagte sie.
Nuramon starrte auf Daoramu hinab, und zum ersten Mal fragte er sich, ob der Ahnenpriester Oburgal vielleicht recht gehabt hatte.
Gaerigar und die Ilvaru ritten die Küste entlang und fanden Fußspuren an einem der Strände, zudem ein kleines Lager zwischen den Felsen vor der Steilklippe. Der Meuchler war tatsächlich mit der Strömung des Furjes ins Meer getrieben und weiter südlich ans Ufer geschwommen. Auf Bjoremuls Empfehlung hin ließ Gaerigar den Fliehenden gewähren. Sie hofften, er würde ihnen auf seiner Flucht eine Spur zu den Hintermännern liefern.
Nach einem Tag sahen sie den Meuchelmörder in der Ferne. Er ritt auf einem gesattelten Pferd abseits der großen Straße nach Süden. Das Reittier hatte er offenbar irgendwo gestohlen. Nun war er zwar schneller unterwegs als zu Fuß, doch anhand der Hufspuren des Pferdes fiel es Gaerigar und den Ilvaru leicht, dem Fremden zu folgen.
Als sie nach Tagen den Varjes, den Grenzfluss zwischen den Herzogtümern Yanarsal und Byrmul, erreichten, harrte der Meuchelmörder aus, bis die yanarsalischen Grenzreiter, die auf der Straße patrouillierten, im Norden verschwunden waren. Dann wagte er sich aus der Deckung des Waldes, ritt zur Straße hinab und strebte der Grenzbrücke entgegen. Auf der gegenüberliegenden Seite erwarteten ihn byrmulische Grenzwächter.
»Bei allen Ahnen!«, flüsterte Waragir, als der Mann sich von den Grenzwachen löste, sein Pferd am südlichen Flussufer bis in das Zeltlager der Grenzkrieger führte und darin verschwand.
Gaerigar nickte. »Das kann nicht wahr sein«, murmelte er. Die Grenzkrieger von Byrmul unterstanden dem Herzog direkt. Und Helerur war der älteste Freund seines Großvaters. Gaerigar schaute Bjoremul fragend an, doch der Wyrenar wich seinem Blick aus.
»Sollen wir ihn uns schnappen?«, fragte Gaerigar.
»Nein«, sagte Bjoremul. »Lass uns abwarten. Er ist jetzt bei den Kriegern. Und wir müssen herausfinden, wie weit dieser Verrat nach oben reicht. Ob es nur gekaufte Grenzkrieger sind – oder mehr als das.«
So rasteten sie im Schatten des Waldes und behielten das Lager der byrmulischen Grenzkrieger im Auge. Gelegentlich kam ein Reiter oder ein Wagen die Straße entlang, und ab und zu erschienen die Grenzreiter des Herzogs von Yanarsal diesseits des Flusses, begleiteten die Reisenden und nahmen den Zoll entgegen. Kurz vor Mittag, als es auf der Straße still war, verließ ein Reiter das Lager der Byrmulier und verschwand eilig auf der Straße gen Süden.
»War er das?«, fragte Gaerigar in die Runde. »Oder war das nur ein Bote?«
Keiner wusste eine Antwort darauf. Aber Bjoremul sagte: »Lasst uns dort unten beim Grenzposten nachschauen, was wir erfahren.«
So ritten sie in einem Bogen zurück und schließlich aus dem Wald hinaus und folgten der Straße zur Grenzbrücke. Die Krieger jenseits des Flusses empfingen sie höflich
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