Nuramon
wäre Daoramu von ihren Sinnen abgeschnitten. Er streichelte ihre Hand.
»Da!«, sagte Nerimee. »Ihre Nackenhaare haben sich aufgerichtet.«
Nuramon sandte erneut seine Sinne aus, und da fand er etwas, kaum merklich, einen Zauber fremder Art, den er nicht zu greifen vermochte. Er machte Nerimee darauf aufmerksam.
»Menschenmagie«, sagte seine Tochter. »Du sagtest, dass die Magie der Menschen Albenkinder töten könnte.«
»Nein. Ich habe dir einmal erzählt, dass der Devanthar die Elfenmagie korrumpiert hatte, um sie gegen uns zu wenden. Ich vermute, die Tjuredanbeter auf dem anderen Kontinent, die damals gegen uns kämpften, hatten irgendwo in ihrem Stammbaum elfische Vorfahren, trugen aber zugleich das Erbe des letzten Devanthar in sich. Diese Magie hier jedoch verzehrt nicht jeden Hauch von Zauberkraft, der ihr zu nahe kommt. Sie richtet sich nicht nur gegen meinesgleichen. Sonst wäre ich jetzt bereits tot.«
Borugar strich Daoramu über die Stirn und schaute den Stamm der Birkeneiche hinauf. »Irgendwo haben Menschen gelernt, sich die Magie nutzbar zu machen.«
Nuramon nickte. »Alles spricht dafür«, sagte er. »Und doch frage ich mich, wie sie so rasch einen so raffinierten Zauber entdecken konnten.« Auch er schaute an Cerens Stamm hinauf in die Baumkrone. »Vielleicht hatten sie Hilfe. Vielleicht hat die Magie etwas entfesselt – einen Geist oder einen Dämon.«
Als Gaerigar in den Palast zurückkehrte, erzählte ihm der Ahnenpriester Oburgal von dem Zustand seiner Mutter und berichtete, was am Baum der Ceren vorgefallen war. Der alte Mann wirkte aufgebracht und machte deutlich, dass er um die Seele seiner Mutter bangte. Gaerigar versprach dem Priester, ihn später im Tempel zu besuchen und überließ es Bjoremul und Waragir zu berichten, dass die Angreifer mit magischen Artefakten ausgestattet waren. Er aber begab sich auf schnellstem Weg zu Cerens Baum.
Als er seine Mutter sah, die dort stumm und reglos vor seinem Vater, seiner Schwester und seinen Großeltern lag, verstand er, was der Ahnenpriester gemeint hatte. Das war nicht seine Mutter. Das Gesicht dieser Frau war nur eine Maske, in der kein Lebenshauch steckte.
Gaerigar schluckte, doch als er die verweinten Gesichter der anderen sah, riss er sich zusammen. Er würde stark sein, ihnen Kraft geben und vorwärtsschauen. In aller Ruhe erzählte er von den magi schen Ringen, die er gefunden hatte, und hielt seinem Vater zwei davon hin. »Den Silberring trugen sie an der linken Hand, den goldenen an der rechten.«
Nuramon und Nerimee betrachteten die Ringe, fuhren mit den Fingerspitzen darüber. »Ich fühle die Macht«, sagte Nerimee. »Aber ich erkenne keinen Schimmer des Zaubers. Ich bekomme das, was ich spüre, nicht zu fassen.«
Nuramon bedankte sich bei Gaerigar und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Diese Ringe sind vielleicht der Schlüssel zu der Magie unserer Feinde. Der Mann, der mich mit dem Blitz attackierte, hielt den linken Arm hoch.«
»Der goldene ist also für die Unsichtbarkeit«, sagte Gaerigar. »Und der silberne ist der Übeltäter. Ich habe die Stadtgarde gebeten, Händler, Schneider und Schmiede zu holen. Sie könnten die Herkunft der Kleidung und der Waffen bestimmen. Vielleicht finden wir heraus, ob Bjoremul recht hatte und sie wirklich aus Helbyrn kamen.«
»Helbyrn ist weit weg«, sagte Borugar und strich Jaswyra, die er im Arm hielt, durchs Haar.
Gaerigar schüttelte den Kopf und sagte: »Es heißt, die Varmulier hätten sich im Süden mit ihnen verbündet. Sie könnten ihnen diese Männer ausgeliehen haben, um hier ihr Werk zu vollbringen. Mit den Goldringen sollte es ihnen ein Leichtes gewesen sein, ungesehen bis hierher vorzudringen.«
Nerimee nickte nachdenklich, doch Nuramon war anderer Meinung. »Das kann nicht sein«, sagte er und hob den Goldring an. »Die Macht in diesem Kleinod hätte nicht ausgereicht, um sie vom Ruljas herzubringen. Die Magie in ihm ist fast erloschen. Schau!« Er schob den Ring auf den Finger, wirbelte mit der Hand und verschwand einfach.
Borugar staunte, und auch Jaswyra starrte verwundert auf die Stelle, an der Nuramon gerade noch gewesen war. Kurz darauf erschien Gae rigars Vater wieder und hielt den Ring in den Fingerspitzen. »Das ist erschreckend – und das Werk eines guten Zauberers. Einen Zauber zu sprechen ist eine Sache, ihn auf einen Gegenstand zu sprechen, eine andere. Allein, dass ich in der Unsichtbarkeit selbst noch sehen kann, verlangt einen geschickten
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