Nuramon
Zauber und ungeheure Kraft.«
»Warum?«, fragte Gaerigar.
»Du kannst nur unsichtbar werden, wenn das Licht einen Bogen um dich macht. Dringt das Licht aber nicht in deine Augen, kannst du auch nichts sehen. Ich konnte euch aber sehen; wenn auch ein wenig verzerrt und in merkwürdigen Farben. Sie mussten die Ringe abnehmen, um uns klar erkennen zu können.« Er reichte Gaerigar den Ring, aber er wollte damit nichts zu tun haben.
Nerimee aber prüfte den Ring, steckte sich ihn auf den Finger und verschwand. »Der Zauber sieht mit magischen Sinnen«, sprach sie in der Unsichtbarkeit. Sie zog den Ring ab, erschien wieder und wog das magische Artefakt in der Hand. »Ein Meisterwerk. Aber die Magie schwindet schnell.«
Nuramon nickte. »Diese Ringe wurden für den Anschlag geschaffen. Diese Männer konnten damit nicht tagelang unbemerkt durch das Fürstentum reisen.«
»Dann sollten wir nach dem Entkommenen Ausschau halten«, sagte Borugar mit entschlossener Stimme.
Gaerigar nickte. »Er ist durch die Flussmündung ans Festland geschwommen. Und irgendwo dort wird seinem Ring die Macht ausgehen. Außerdem ist er verletzt. Lass mich mit einigen Männern ausziehen und ihn hetzen!«
Gaerigar erwartete, sein Großvater werde ablehnen und sagen, er sei mit siebzehn noch zu jung, um in den Kampf zu ziehen, doch Borugar schaute zu Gaerigars Vater. »Er ist dein Sohn«, sagte er.
Nuramon starrte ihn an und sagte schließlich: »Ich vertraue dir die Ilvaru an. Aber nur, wenn du auf jeden Rat hörst, den Bjoremul dir gibt.«
Gaerigar versprach es, verabschiedete sich knapp und schaute noch einmal auf den Körper seiner Mutter hinab. Er konnte nicht anders, als sich zu ihr hinzuknien und ihr die Hände zu küssen. Als er sich schließlich abwandte, kämpften Trauer und Wut in ihm um die Oberhand. Er hatte das Rennen von Jasbor gewonnen, und nun wünschte er sich, er hätte nie daran teilgenommen.
Alte Geheimnisse
Solange Daoramus Augen offen standen, fand Nuramon keinen Schlaf. Im Kerzenlicht saß er neben ihr auf ihrem gemeinsamen Bett, hielt ihre Hand und erzählte ihr von damals, als sie einander kennengelernt hatten. Er sprach die halbe Nacht hindurch, bis Daoramus Augenlider schwer wurden und sie einschlief. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass seine und Nerimees Heilkräfte doch noch etwas bewirken würden und Daoramu am nächsten Morgen ausgeschlafen war und ihn wecken würde. Als aber die Sonne aufging, waren lediglich die Heilzauber verklungen.
Nach einer Weile klopfte es an der Tür, und Nerimee trat ein. Sie wirkte verzweifelt, als sie bemerkte, dass sich nichts verändert hatte. »Was nun?«, fragte sie.
Nuramon lächelte sie mit all der Entschlossenheit an, die er in seiner Enttäuschung aufbringen konnte, und sagte: »Wir machen einfach weiter.«
Wenngleich die Dienstboten es hätten übernehmen können, zogen sie Daoramu aus, ließen ihr nur die Kette mit dem Lebensstein auf der Brust liegen und wuschen ihren Körper. Dabei bemerkten sie die nassen Laken. Nuramon tauschte nur einen kurzen Blick mit Nerimee. Es war, als fragte sie ihn, ob sie es übernehmen solle, und als stellte er ihr die Frage zur gleichen Zeit. Schließlich hoben sie Daoramu gemeinsam zur Seite und wechselten die Laken und die Decken.
»Sie hat ihre Augen nicht geöffnet«, sagte Nerimee, als alles getan war.
»Sie ist einfach noch nicht aufgewacht«, entgegnete Nuramon. Dann wiederholten sie die Zauber, mit denen sie Daoramus Augen geöffnet hatten, doch diesmal rührten sich die Lider nicht.
Kurz darauf klopfte es an der Tür, und vier Mägde kamen herein, angeführt von Gaeria, die schon in Merelbyr in Jaswyras und Daoramus Diensten gewesen war. Nuramon wollte sie fortschicken, doch Nerimee hielt ihn zurück. »Vater«, sagte sie. »Wir können nicht alles allein machen. Wir brauchen Palastgardisten, die sie tragen, wenn du nicht da bist. Jemand muss bei ihr sein, wenn wir die Ringe untersuchen und den Zaubern nachspüren, die sie retten können. Lass sie die Laken und Decken mitnehmen und waschen. Sie haben ihr zuvor gedient, lass es sie auch jetzt tun.«
Nuramon sah in die traurigen Gesichter der Frauen und nickte. Gaeria trat vor und verbeugte sich. Sie war inzwischen rund sechzig Jahre alt und mit ihrer Körperfülle nach wie vor eine eindrucksvolle Gestalt. »Teile die Last mit uns, Herr«, sagte sie und schaute liebevoll auf Daoramu hinab. »Sie war immer auch mein kleines Mädchen. Bei uns ist sie in guten
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