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Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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war ich nur ein einziges Mal unehrlich. Als ich dich zum ersten Mal sah und behauptete, dich nicht erschrecken zu wollen. Das war tatsächlich nicht ganz richtig. Alles andere war die Wahrheit.“ Er machte eine beredte Pause. „Wenn auch nicht immer die ganze.“
    Sie zog die Brauen zusammen und knabberte an ihrer Unterlippe. Nicholas konnte es in ihrem Kopf förmlich arbeiten sehen. Die Frage lag unausgesprochen in der Luft, was ihr nichts von ihrer Dringlichkeit nahm: ‚Was verschweigst du mir?’
    Er wusste, dass sie nicht laut fragen würde und ließ sich alle Zeit der Welt, ehe er wieder sprach. „Sag mir, was dich so bekümmert.“ Er fuhr mit dem Finger ihre Schläfe sowie ihren Wangenknochen entlang. Sie hielt den Atem an. Welch herrlich naives Ding. Er ließ die Berührung ihre Kehle herabfließen und schließlich über ihr Dekolleté und ihre Brust. „Du verschließt dich völlig. Warum?“
    Was er an ihrem Leben so interessant fand, dass er ihre Antwort für den Moment allem anderen vorzog, selbst ihren Emotionen oder ihrem Körper, war ihm nicht klar. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass diese Antwort schwerer zu bekommen war, die größere Herausforderung darstellte. „Sag’s mir.“
    Ihr Schutz blieb fest und eisern, doch ihr Körper sank gegen den seinen. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen glänzten dunkel als sie kurz zu ihm aufsah.
    „Ich kann nicht“, flüsterte sie, leerte ihr Glas und schmiegte sich an seine Seite, als suche sie bei ihm Schutz vor sich selbst. Oder vor ihm.
    Er erwiderte, dass sie es einfach erzählen sollte. Sie beharrte darauf, es nicht zu können. Das Spiel ging einige Male hin und her, bis es ihn nervte und er ihr Kinn in die Hand nahm, damit sie ihn ansehen musste.
    „Dann werde ich dich zwingen“, drohte er ruhig. „Und glaube mir ruhig, dass ich die Macht dazu habe.“
    Sie ließ ihn Verwirrung spüren. Doch ihre Irritation war nichts im Vergleich zu seiner, als sie sagte: „Dann tu’s! Bitte zwing mich, denn ansonsten werde ich es nie los.“
    Sie entwand sich seinem Griff, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Er spürte Feuchtigkeit sein Hemd durchdringen. Und wollte für einen Augenblick nichts mehr, als dass sie ihm freiwillig sagte, was geschehen war.
    Verdammter Alkohol. Verschleiert die Gedanken wie billige Haremsweiber und erhebt banales Geschwätz auf des Sultans Thron.
    Ihr Flüstern brachte sein innerliches Gezeter zum Schweigen. „Ich … war verlobt“, erzählte sie stockend. „Sein Name war Sascha, wir wollten heiraten. Eines Nachts ging er zur Tankstelle, nur zwei Kilometer von unserer damaligen Wohnung entfernt. Er wollte Eis holen, weil ich solchen Heißhunger darauf hatte. Es war nach Mitternacht und es regnete, aber er ging trotzdem. Nur für mich. Er … er ist nie zurückgekommen.“ Er spürte unter seinem Arm, dass sie ihren Atem krampfhaft ruhig hielt. „Ich sah ihn drei Tage später wieder. In der Leichenhalle. Sein Kopf und sein Gesicht waren … Sie haben ihn mit etwas Stumpfem erschlagen, vermutlich war es ein Baseballschläger. Zwanzig Schläge oder mehr, meinten die Polizisten. Kein Knochen war mehr da, wo er sein sollte. Man hatte seine Leiche in der Elbe treibend gefunden. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie er aus…“ Ihre Stimme brach.
    Der Schatten in Nicholas brüllte gierig nach den Emotionen, die sie offen vor ihm ausbreitete. Doch er spürte noch mehr. Noch viel, viel tieferen Schmerz. Bitterer und süßer.
    „Das ist nicht alles“, stellte er schlicht fest, kippte beide Gläser voll und schob ihr eins wieder zwischen die Hände.
    „Ich war schwanger.“ Es waren keine Worte mehr, die sie in sein Hemd hauchte, sondern zu Lauten gewordene Gedanken. „Ich trug sein Kind in mir, Saschas Kind. Und ich … habe es abtreiben lassen. Ich habe mir eingeredet, dass ich dem Baby nicht zumuten wollte, aufzuwachsen wie ich. Ohne Vater. Bei mir war es das Gleiche, verstehst du? Mein Vater starb, als meine Mutter mit mir schwanger war. Tatsächlich hatte ich einfach Angst. Vor der Verantwortung. Davor, mit dem Kind allein zu sein. Oder nie mehr allein sein zu können.“ Ihre Stimme war beim Sprechen immer schneller geworden, bis er sie kaum mehr verstand. Nun lachte sie bitter auf. „Ich dachte sogar an einen Fluch oder so etwas. In Afrika gibt es solche Legenden, von Halbdämonenkindern, die ihren Vätern das Leben nehmen, wenn sie im Mutterleib heranwachsen. Das ist natürlich Quatsch, aber damals …

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