Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
eine Hand nach ihm aus. „Versteh doch, ich will dir helfen. Ich ahne, dass ich etwas sehen werde. Eine Vision ruft nach mir, doch kann ich sie nicht greifen. Ich rieche und schmecke es in deinem Blut, Nicholas. Doch ich brauche mehr, um zu sehen.“
Er zögerte, sie gänzlich fortzuschicken. „Eine Vision? Mich betreffend?“
„Oh ja. Sie verlangt nach mir. Aber du musst mir helfen.“
„Warum sollte ich?“
„Ich bin neugierig. Und du bist es auch.“
Er blies sich das Haar aus der Stirn. Sie hatte leider recht. Aber was würde sie sehen? Allein dass sie etwas sehen würde, ließ ihn frösteln. Lillians Visionen kündeten immer von Problemen. Die Zukunft schickte ihr stets Warnungen. Schließlich nickte er und legte den Kopf zurück.
„Ich mag diesen Körper“, murmelte er. „Also pass auf was du tust!“
Im nächsten Moment hockte sie über ihm, ließ ihre Hände über seine Haut streifen und versenkte ihre Reißzähne erneut in seiner Brust. Der Schmerz war scharf und süß zugleich. Stöhnend griff er nach ihrem Körper, presste ihren Unterleib fest an seinen. Jede Sorge verschwamm, als alles Blut sein Hirn verließ, um sich in anderen Regionen zu sammeln.
Sie gestattete ihm, ihre Gefühle zu spüren. Doch da war nur Neugier, Lust und Berechnung. Nichts von dem Vertrauen, das er …
Urplötzlich sprang sie auf und wich mit einem Fauchen zurück. Ihr Blick war leer und ging durch ihn hindurch.
„Was?“, keuchte er. „Was hast du gesehen?“
„Hast du mich deshalb nach den sieben Fürsten gefragt?“, wisperte sie. „Ich habe deine Furcht gesehen. Die Furcht, dass er dich rufen wird, der erste Fürst. Der Luzifer.“
Nicholas spürte, wie sich der Körper um ihn herum verkrampfte. „Ist es wahr? Wird er sich erheben?“
„Ich kann es nicht sehen“, flüsterte sie, immer noch von ihrer Vision gebannt. „Es scheint noch nicht sicher, jedoch möglich. Aber du, Nicholas, du wirst … du wirst uns verlassen? Aber warum? Du wirst uns …“ Sie verzog irritiert das Gesicht. Schweigen hallte von den Wänden wider. Lautlos formten ihre Lippen das Wort ‚verraten‘.
„Lill?“
Kopfschüttelnd, als wollte sie mit Gewalt etwas aus ihren Gedanken vertreiben, drehte sie sich weg. „Weißt du noch, was ich dir gesagt habe? Die Zukunft ist nicht fest, nicht sicher. Abhängig von Millionenvon Steinen, die ihren Platz finden müssen. Mach dir keine Sorgen, es wird nichts Schlimmes geschehen. Ganz sicher nicht. Gute Nacht, Nicholas.“
Ratlos sah er ihr nach, wie sie zum Balkon huschte und mit einem geschmeidigen Sprung über die Brüstung flankte. Ohne ein Geräusch zu vernehmen wusste er, dass sie auf ihrem eigenen Balkon, der direkt darunter lag, gelandet war. So ein verrücktes Weib. Er würde die nächsten Nächte in seiner Zweitwohnung verbringen, diese Frau war gefährlich.
Trotz der Wärme der Sommernacht war ihm kalt. Was hatte sie wirklich gesehen? Was auch immer es war, Nicholas vermutete nichts Gutes. Nicht für ihn. Er rieb sich nervös über die beiden Wunden. Sie brannten, aber nicht halb so schlimm wie diese düstere Vorahnung, die ihn irgendwo tief darunter biss.
Er brauchte Ablenkung. Jetzt sofort. Alkohol, Sex und reichlich Emotionen wären schon mal ein Anfang. Und er wusste genau, wo all das in wunderbarer Konzentration zu finden war.
13
H
alb zwei Uhr nachts war eine sehr unchristliche Zeit, um an der Wohnungstür einer schönen Frau zu klingeln. Andererseits hatte er auch nie die Absicht verspürt, sich christlich zu geben. Sie öffnete mit einem Hauch von Schrecken in den Augen, aber verärgert schien sie nicht. Guter Anfang.
„Hey“, meinte er leise und beobachtete, wie sie ihre Unterlippe verwirrt zwischen die Zähne zog. Sie war nicht geschminkt und sah erschöpft aus, doch es wirkte nicht so, als hätte er sie geweckt. Ihr Haar fiel unordentlich, aber nicht zerzaust über ihre Schultern.
„Hey?“, gab sie fragend zurück. Ihr Blick verlangte nach einer Erklärung.
„Ich konnte nicht schlafen und bin auf der Suche nach jemandem, dem es ähnlich geht. Darf ich reinkommen und dir einen Drink ausgeben?“ Er schwenkte die Whiskyflasche, die er in der Hand hielt.
Sie nickte wie paralysiert. Als hätte er sie in seinem mentalen Griff, was nicht der Fall war. Wortlos ging sie in ihr Wohnzimmer. In der hinteren Ecke, versteckt zwischen zwei Farnen enormer Größe, stand ein breiter Diwan aus hellem Leder. Sie ließ sich darauf fallen und zog die Beine an den
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