Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
ihm war es in den Tagen zuvor ähnlich ergangen. Er versicherte, dass es ihr bald besser gehen würde. Der kleine Anflug von Erleichterung bei seinen Worten, war das erste Gefühl, das Joana bewusst wahrnahm.
Am nächsten Morgen fühlte sie sich wieder. Sie konnte nicht behaupten, sich gut zu fühlen, aber die Leere wich und ließ ein Durcheinander aus langsam anschwellenden Emotionen zurück. Wie Töne nach langer Stille wirkte jeder Gedanke zunächst störend und viel zu intensiv. Einige davon drehten sich um Nicholas und die Erinnerungen an die gemeinsame Nacht. Eine schöne Nacht war es gewesen. Die erste, die sie mit einem Mann verbracht hatte, seit Sascha tot war. Andererseits konnte sie sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann er danach gegangen war. Sie hatten nicht mal ein Kondom verwendet. Sie musste ihrer Neigung zu unreiner Haut sowie ihrer Eitelkeit danken, die sie dazu gebracht hatten, regelmäßig die Pille zu nehmen. Zumindest eine ungewollte Schwangerschaft konnte sie ausschließen. Auf alles andere konnte sie nur hoffen.
Seine Visitenkarte lag auf dem Sofatisch neben Marys Schlafmittel, doch sie rührte beides nicht an. Es machte ihr Angst, das eine so sehr wie das andere.
Sie verkroch sich einen weiteren Tag und versuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es nun wohl an der Zeit war, einen Arzt aufzusuchen. Wie viele Hinweise ihres Körpers wollte sie noch abwarten?
Depression, echote es in ihrem Kopf. War ja auch nur eine Frage der Zeit gewesen. Morgen, versprach sie sich selbst. Zum ersten Mal meinte sie den Vorsatz ernst. Die Hemmschwelle war groß, sie würde auch am Tag darauf nicht kleiner sein. Aber der seelische Tod der letzten Tage war keine Option. So wollte sie nicht leben und dafür würde sie kämpfen.
Ein scharfer Schmerz in der Brust ließ Nicholas aus dem Schlaf hochfahren. Sein Körper zeugte von deutlicher Erregung, was ihn mehr verwunderte, als die beiden Rinnsale aus Blut, die ihm den nackten Oberkörper hinab liefen. Es konnte kein Traum sein, denn er träumte nie.
Sein Blick traf auf ein in der Dunkelheit grün fluoreszierendes Augenpaar. Lillian kniete vor seinem Bett und funkelte ihn mit einem so verführerischen wie gefährlichen Lächeln an. Es war einer der seltenenMomente, in denen sie ihre scharfen Fänge zu erkennen gab. Er ließ sich mit einem entnervten Stöhnen zurück in die Kissen fallen.
„Was soll der Mist, Lillian?“
„Ich bin durstig.“ Ihre sonst so ruhige Stimme erinnerte an eine lispelnde Schlange, die es gelernt hatte, das Schnurren einer Katze zu imitieren. Lautlos erhob sie sich und ließ sich auf die Bettkante sinken. „Deine Balkontür war offen. Ich musste es für eine Einladung halten. So wie früher.“
Nicholas verdrehte die Augen. „Das ist vorbei, Lill.“
Er wischte sich das Blut von der Brust und machte Anstalten, es an der Bettwäsche abzuwischen, doch sie hielt seine Hand mit einer schnellen Bewegung fest und leckte ihm mit tänzelnder Zunge die Fingerkuppen ab.
„Vertrau mir. Nur diese eine Nacht.“
Ihre kleine Hand legte sich auf seinen Bauch und ließ ihn schaudern. Oh, wie sie ihn reizte. Dieser perfekte, zierliche Körper war eine einzige Verlockung. Fleischgewordene Lust. Doch er hatte dieser Versuchung schon einmal nachgegeben. Gut bekommen war es ihm nicht. Sie hielt ihre Blutrunst eine Weile im Zaum, wenn es sich um ihre menschlichen Lover handelte, doch Dämonenblut war etwas anderes. Stärker. Durch ihre Gier danach war ihm bereits einmal ein menschlicher Körper verendet. Die Suche nach einem neuen hatte ihm einen Clerica auf den Hals gehetzt, der ihn um ein Haar erwischt hätte.
„Geh!“
„Nur dieses eine Mal“, raunte sie. „Ich werde behutsam sein.“ Ihr aquamarinblaues Seidennachthemd bewegte sich leicht im Wind, der durch die offenen Fenster drang. Es umschmeichelte ihren Körper wie eine zärtliche Berührung. Die Vorstellung, dass sie barfuß und in diesem Nachthemd von ihrem Balkon bis zu seinem hochgeklettert war, erregte ihn mehr, als gesund für ihn war. Langsam, doch ohne ein Zögern, rutschte sie näher. „Ich will es. Und auch du willst es. Aber vor allem …“
Er stieß sie hart zurück, sodass sie vom Bett gefallen wäre, wenn sie sich nicht seitlich abgerollt hätte. So aber landete sie auf den Füßen. Das Schmeicheln in ihren Augen wich beleidigtem Zorn, aber sie hielt ihn noch zurück und zwang sich zu einem Lächeln.
„Chigau“, flüsterte sie und streckte bittend
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