Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Körper. Ihre nackten Füße verschwanden in den zu langen Hosenbeinen ihrer leichten Trainingshose. Der Träger ihres Tops rutschte von ihrer Schulter und verriet, dass sie nichts drunter trug. Er leckte sich unwillkürlich über die Lippen und sie schob den Träger im gleichen Augenblick wieder an seinen Platz.
Ihre Emotionen waren bereits wieder da, er spürte sie in voller Intensität, aber sie schirmte sie sicherer vor ihm ab als je zuvor. Sie hatte ihre Lektion gelernt, wenn auch nur unbewusst.
„Woher wusstest du, dass ich nicht schlafen konnte?“, fragte sie und deutete mit dem Kinn auf eine Vitrine, in der er Gläser fand.
„Wusste ich gar nicht. Ich dachte, ich wecke dich einfach.“ Da keine Whisky-Tumbler vorhanden waren, nahm er zwei Weingläser heraus, stellte sie auf dem kleinen Beistelltisch ab und schenkte ein.
Ihr „Ich trinke keinen Whisky“ überging er mit dem Hinweis, dass dies ein ganz außergewöhnlicher Malt aus Wales sei, den man unbedingt probiert haben sollte. „Ich war gerade erst dort und habe die Flasche mitgebracht. Perderyn Sherrywood. Sehr süß, fruchtig und mild im Geschmack.“ Dass das Zeug gerade deshalb so heftig knallte, sagte er ihr nicht.
Er ließ sich mit geringem Abstand zu ihr nieder und schwenkte das Glas leicht, sodass sich die goldene Flüssigkeit darin drehte. Erst nach einer Weile bemerkte er, dass sie ihn aufmerksam ansah.
„Du warst also in Wales. Geschäftlich?“
„Kann man so sagen.“
„Hm.“ Sie verengte die Augen. „Es war kein gutes Geschäft, oder? Du siehst angespannt aus. Was mich gewissermaßen beruhigt, denn ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie du überhaupt angespannt aussehen kann.“
Er gluckste, worauf sie errötete, was ihrer dunklen Haut ein wenig das Aussehen von Rosenholz gab.
„Ich steh mitten in der Nacht mit einer Flasche Whisky vor deiner Tür“, sagte er amüsiert. „Das zeugt weniger von Anspannung, als mehr von Verzweiflung, denkst du nicht?“
Jetzt lachte sie und ahnte vermutlich nicht einmal, dass er ihr gerade erneut mehr Wahrheit offenbart hatte, als sie je verstehen würde. Eigentlich hatte er scherzen wollen. Er kippte den Inhalt seines Glases in einem Zug runter.
Sie nippte nur, eher der Höflichkeit halber. „So schlimm?“
Schlimmer. Er winkte ab und wechselte zu einem belanglosen Thema. Es war nicht nötig zu reden, aber es entspannte. Und sie trank mehr.
Als er wenig später beide Gläser nachfüllte, griff er nach dem Tablettenröhrchen auf dem Tisch. „Du hast Schlafprobleme. Alpträume, hm?“
Sie schlang ihre Arme um die Knie. „Ich nehm das nicht.“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“
„Du hast auch nicht gefragt. Du glaubst zu wissen.“
Dem war wohl so. Er musste grinsen. „Willst du das gar nicht richtigstellen?“
„Und mich vor dir rechtfertigen? Warum sollte ich?“
Gute Frage, verdammt gute Frage. „Erzählst du mir trotzdem davon, wenn ich dich darum bitte?“ Es wäre ihm egal gewesen, wenn sie ihm gleich geantwortet hätte. Aber neben seiner Neugier war auch sein Spieltrieb wieder geweckt, sowie die Frage, wie weit sie sich ihm wohl öffnen würde, wenn er es darauf anlegte.
Sie schluckte hart, tat dann unbekümmert und nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. „Keine Träume, nein. Ich arbeite im Schichtdienst. Da kommt der Schlafrhythmus schon mal durcheinander. Das ist eine typische Berufskrankheit. Aber ich hab’s im Griff.“
Ihre sanften Züge verschleierten ihre Lüge hervorragend. Nicholas musste zugeben, dass jeder Mensch ihr geglaubt hätte. Er wusste es besser, und aus irgendeinem verqueren Grund ärgerte es ihn, dass sie ihn anlog.
„Hast du eine Ahnung, wie viel Beherrschung es mich kostet, mich nicht über deine permanenten Unwahrheiten zu ärgern?“ Es kostete ihn schon Beherrschung, seine Stimme weich und leise klingen zu lassen. Ihre Gefühle gaben preis, dass sie bei seinen Worten erschrak, auch wenn sie es nicht offen zeigen wollte. „Ich meine das ernst. Ich mühe mich mit der Wahrheit ab und zum Dank werde ich von dir ständig angelogen.“
„Natürlich“, feixte sie. Der Whisky sang bereits in ihrer Stimme. Sie nahm einen weiteren Schluck. „Du bist eine vollkommen ehrliche Haut und würdest nie die Unwahrheit sagen.“
Ihr Lächeln hatte trotz allem Spott etwas Ansteckendes, dem er sich nicht entziehen konnte. „Nein, wohl nicht. Ich bin ein guter Lügner. Daher durchschaue ich es, wenn ich angelogen werde. Aber zu dir
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