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Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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seinem Inneren, die nichts anderes wollten, als ihr alles in die Hände zu legen. Sein Selbst, seine Geheimnisse, seine Vergangenheit und seine Zukunft. Und alles, was er je getan hatte, einschließlich der Tatsache, dass er nichts davon bereute. Doch er behielt es für sich. Es würde sie überfordern.
    Irgendwann sank ihr Kopf zu den Klängen von ‚Dig‘ ans Beifahrerfester.
    „
If I turn into another, dig me up from under what is covering the better part of me
.“
    Welch Ironie. Er hätte den blöden Song gern abgeschaltet, am liebsten mit der Faust direkt ins Radio gehämmert, bis es Ruhe gäbe. Doch er drehte es nur leiser.
    Er spürte, dass sie schlief, doch erst nachdem sie sich eine halbe Stunde nicht bewegt hatte, begann er, es zu glauben. Wie konnte sie so ruhig schlafen, wenn ein personifizierter Alptraum neben ihr saß? Und, er biss die Zähne zusammen, was hatte sie nur derart erschöpft?
    Nicholas hielt auf einem zwischen Birken und Pappeln versteckten Parkplatz. Der Wind rauschte in den Kronen und jagte Wolkenfetzen über den tiefblauen Himmel. Es war schon fast dunkel. Als er den Motor abstellte, wachte sie auf, schüttelte den Kopf und blickte ihn verwundert an.
    „Wo sind wir?“
    „An der Nordsee, knapp hinter der dänischen Grenze. Ich komm oft hierher. Normalerweise ist es hier sicher für mich.“
    Sie zog die Brauen zusammen. „Was bedeutet das?“
    „Niemand von den Clerica lebt in dieser Gegend. Zumindest bin ich hier noch keinem begegnet. Solange nicht einer von ihnen zufällig hier rumläuft, bleibt meine Verwandlung unbemerkt.“
    „Wie erkennst du sie, diese Clerica?“
    „Im Zweifelsfall, wenn sie auf mich zu rennen und seltsam mit den Händen in der Luft herumfuchteln. Wenn ich aus meinem Körper geschleudert werde, wird’s brenzlig.“
    Sie legte sich zwei Finger ans Kinn. „Du erkennst sie erst, wenn sie dich angreifen? Ganz schön riskant, oder nicht?“
    „C’est la vie. Aber das ist nicht das Problem, denn auch sie werden meiner nur in der dämonischen Gestalt gewahr. Den Schattenkörper spüren sie über weite Entfernung, weil er die stärkste Aura hat. Damit bemerken sie auch die Verwandlung. Manche können den Astralkörper sogar aus einer gewissen Distanz beeinflussen. So allerdings“, er klopfte sich mit einer Hand auf die Brust, „kann ich einfach an ihnen vorbeispazieren. Perfekt getarnt.“
    „Verstehe.“
    Daran zweifelte er.
    Sie folgte ihm ohne zu zögern in die Dunkelheit. Der Weg führte zwischen ein paar Bäumen hindurch, dann eine Holztreppe den Deich hinauf. Die Stufen waren alt, abgetreten und einige wackelten und knarrten bedrohlich. Ob er ihr seine Hand anbieten sollte? Ehe er sich entschieden hatte, war sie schon oben angekommen, wo salziger Wind an ihrem Haar und ihrer Kleidung zerrte. Joana atmete tief ein und sah aufs Meer. Das dünne Halstuch flatterte und gab den Blick auf die darunter liegenden Druckmale frei. Der Anblick rief erneut die bildliche Vorstellung wach, mit welcher Brutalität sie angefasst worden war, und ließ ihn die Fäuste ballen.
    „Ist dir nicht kalt?“
    Sie strahlte. „Nein. Ich liebe Wind. Es ist fast, als würde er mich be…“ Beschämt biss sie sich auf die Lippen.
    „Was wolltest du sagen?“ Er wusste es genau: Berühren, wie ein Geliebter.
    „Ach, nichts.“
    Er wandte sich ab und stapfte den Deich hinunter. Sie blieb an seiner Seite. Ihre Schritte verursachten kaum ein Geräusch im Kies, der bis zum Wasser führte, wo die Brandung gegen vereinzelte scharfkantige Felsen schlug und Gischt in die Luft spie. Es war nicht die Art von Strand, die Touristen aufsuchten, denn er war voller toter Quallen, Kelp, dem ein oder anderen Fischgerippe und all dem, was die See sonst noch ausspuckt. Das Meer gab an diesem Küstenabschnitt unverhohlen preis, wie grausam es wirklich war und heuchelte keine Sanftmut vor. Nichts anderes machte den Ort besonders für ihn. Ehrlichkeit. Einsamkeit.
    „Ich komme her, wenn mir danach ist, zu flüchten“, sagte er leise, sodass sie näher an ihn herantreten musste, um die Worte trotz des Tosens der Wellen und des Pfeifens des Windes zu verstehen. „Hier kann ich mein Äußeres eine Weile liegen lassen und mein Inneres dem Wind ausliefern.“
    „Beneidenswert.“ Sie lächelte. „Und das darf ich sehen?“
    „Gib mir noch eine halbe Stunde, okay?“
    Eine gestohlene halbe Stunde, die sie noch bleiben würde. Skepsis überzog ihr Gesicht, aber sie nickte.
    Nebeneinander

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