Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
hätte.
Er atmete tief durch. Verdammte Jäger, die ihr Wissen nicht für sich behalten konnten. Doch hier hatte er seine Chance, ein paar Wahrheiten freizulassen, die in ihm tobten und ausbrechen wollten, wie wilde Tiere aus einem Käfig.
„Der Nybbas“, antwortete er schließlich.
Die Gewissheit, dass sie ihn verachten würde, wenn er weitersprach, wollte ihm den Mund verbieten. Doch die Wahrheit war alles, was er ihr versprochen hatte.
„Ich manipuliere die Gedanken, schaffe Träume und Trugbilder. Mein Inneres versteckt sich in einem gestohlenen Leib und nährt sich von den Emotionen der Menschen.“
Sie nickte, als hätte sie es gewusst. „Aber du bist nicht böse. Das stimmt doch, oder?“
Böse? Was war schon böse. „Nicht mehr als alle anderen. In meiner Welt ist nichts gut oder schlecht. In deiner bin ich es sehr wohl, Joana. Ich werde dir nichts vormachen. Erinnerst du dich an deine Träume von mir? Ich erinnere mich auch.“
Sie schauderte, griff an ihre Ellenbeuge und biss sich hart auf die Unterlippe. „Du hast auch meine Emotionen genommen, richtig?“
„Ja. In der Nacht, als ich mit dir geschlafen habe.“ Er beobachtete sie genau, aber sie reagierte nicht. „An unserer letzten Nacht hingegen war ich unschuldig. Da hast du wirklich zu viel getrunken.“
„Wirst du es wieder tun?“ Ihre Stimme bebte.
„Nein.“ Er lächelte unweigerlich, obwohl ihm nicht danach war. Sein Blick klebte auf ihren Händen, die sich haltsuchend in den Saum ihres T-Shirts gruben. „Ich hätte zu viel Angst, dass ich dich damit zerstören würde. Das passiert, wenn ich es zu oft tue oder zu gierig bin. Aber ich bereue auch nicht, es getan zu haben. So funktioniert das eben. Doch die Situation ist nun eine andere.“
Sie erwiderte das Lächeln, es war von der gleichen verkrampften Natur wie seins.
„Was ist jetzt anders?“
Verdammt, warum stellte sie immer die falschen Fragen? Sie zwangen ihn dazu, sie sich selbst zu beantworten.
„Vielleicht meine Gefühle.“
Sie zog die Brauen hoch. Eine stille Frage, die laut nach Antwort verlangte.
„Ich habe Gefühle, ja. Sicher fühle ich nicht exakt so, wie Menschen empfinden, aber durchaus vergleichbar. Das lernt man mit der Zeit. Ich bin Experte für sowas.“
Die Anspannung wich aus ihrem Gesicht, sie öffnete die Lippen.
„Bedeutet das, dass ich keine Angst vor dir haben muss?“
„Nein, das bedeutet es nicht. Es bedeutet einfach nur, dass ich dir nichts tun werde, solange ich es verhindern kann. Aber das ändert nichts daran, dass ich Dinge tue, für die du mich fürchten wirst. Zu recht, wenn ich menschliche Moral richtig interpretiere.“
„Erklär mir eine Sache.“ Ihre Augen bohrten sich in seine, bis er den Blick abwenden musste. „Sag mir, warum du mich vor diesem Meyers beschützt hast.“
„Ich genieße deine Nähe“, gab er zu und starrte durch die Windschutzscheibe. Lüg sie nicht an, mahnte er sich selbst. „Nenn mich einen Egoisten, aber deine Präsenz hat etwas, das ich will. Etwas, das mich mit Ruhe erfüllt. Du faszinierst mich, weckst Unruhe in mir und besänftigst sie wieder.“
Er lachte leise und schüttelte den Kopf. Zur Hölle, was redete er denn da? Das waren sicher nicht die Informationen, die sie haben wollte. Leider war es die Wahrheit. Er hatte es erkannt, als der Whiro nach ihr verlangt hatte. Sie war mehr als sein Spielzeug oder sein Lieblingsopfer. Sie war das, was er wollte. Vielleicht das, was er brauchte. Was immer sie auch war, sie sollte ihm gehören.
Ihre Stirn legte sich in Falten. Ihre Augen forderten ihn zum Weitersprechen auf. Er hustete, denn sein Hals kratzte.
„Alexander ist der Whiro, er …“
„Der Whiro schafft Krankheiten“, unterbrach sie ihn tonlos und schloss beide Hände wie nach Halt suchend um ihre Oberarme. „Das habe ich gelesen. Oh Shit.“
„Kann man so sagen. Joana, ich habe seine Gier gesehen. Er hätte dir einen Keim von Tod in den Körper gepflanzt. Er hätte dich umgebracht, ohne dass du es bemerkt hättest.“
Sie blieb starr sitzen. „Erwartest du dir etwas von deiner Hilfe?“, flüsterte sie nach langem Schweigen. „Bin ich dir zu etwas verpflichtet, außer meinem Dank? Muss ich …“
„Nein!“ Ihre Worte schmerzten ihn, auch wenn ihre Befürchtung sicher nicht unberechtigt war. Er wollte sie – ja. Was er nicht wollte war, dass sie ihn fürchtete. Sie hatte ihn nie gefürchtet, obschon sie wahrlich Grund dazu gehabt hatte. Doch jetzt kam eine kleine
Weitere Kostenlose Bücher