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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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völlig unfähig, sich oder ihre
     Kinder zu schützen. Das Jugendamt nahm ihnen schließlich die Kinder weg, und zu der Zeit, als ich sie unterrichtete, lebte
     sie in einer Pflegefamilie. Sie war ängstlich und labil und weinte die ganze Zeit.«
    »Bist du sicher, daß das dieselbe Person ist?«
    »Schwer zu glauben, aber ich hoffe es. Ich habe mir häufig Sorgen wegen dieses armen Mädchens gemacht. Die anderen Kinder
     haben sie auch oft wegen ihres Namens gehänselt: ›Alles neu macht Clarissey Mai.‹ Eines Tages gab sie dann eine Arbeit ab,
     auf der nur ›Claire Needham‹ stand.«
    »Sie hatte die Nase voll.«
    |29| »Sie hatte sie gründlich voll.«
    »Aber jetzt ist sie eine Wucht. Ich werde zu Delta hingehen. Meinst du nicht, mein Haar würde so auch gut aussehen?«
    »Du meinst schwarz?«
    »Warum nicht?«
    Ich habe gelernt, daß man auf solche Fragen am besten keine Antwort gibt. »Laß uns Bonnie Blue suchen gehen«, sagte ich.
    Die Galerie war voller Menschen, aber die Leute standen in Gruppen zusammen, so daß man sich leicht einen Weg bahnen konnte.
     Ich erblickte ein paar Werke von Abraham an der hinteren Wand, und wir arbeiteten uns dorthin durch. Bonnie Blue trug einen
     hellblauen Kaftan und wachte über ihren zerbrechlichen alten Vater, der, ein Glas Champagner in der Hand, in einem Sessel
     saß.
    »Hallo, ihr Lieben«, sagte Bonnie Blue. »Das ist mein Daddy, Abraham Butler. Daddy, das sind Patricia Anne Hollowell und Mary
     Alice Crane. Sie sind Schwestern.«
    Abraham Butler neigte den Kopf nach hinten, so daß er uns von unten durch seine Bifokalbrille mustern konnte. »Nicht möglich.«
    »Wir wurden zu Hause geboren«, sagte Mary Alice. »Selbe Mama, selber Papa.«
    »Nein, nein. Ich finde es nur erstaunlich, daß es in einer Familie gleich zwei so gutaussehende junge Damen gibt.«
    Bonnie Blue, die hinter ihm stand, rollte die Augen und machte eine Honig-Pinsel-Bewegung.
    »Oh, Mr.   Butler«, strahlte Mary Alice. »Das ist aber ein nettes Kompliment.«
    »Nennen Sie mich Abe«, sagte er.
    Ich liebe die Art und Weise, in der die alten Männer im Süden flirten. Es ist eine Kunst, die zu meinem Leidwesen ausstirbt.
     Die Welt wird freudloser sein nach ihrem Verschwinden. Selbst die Männer in den Sechzigern wie Fred beherrschen |30| sie nicht mehr. Wahrscheinlich hätten die jüngeren Männer es sich von den alten Meistern abgeschaut, wenn sie mitbekommen
     hätten, welch immensen Erfolg man damit hatte. Meiner Meinung nach lag darin immer ein Teil der Faszination, die ältere Männer
     auf Mary Alice ausübten.
    »Abe«, sagte sie und ergriff seine freie Hand, »und ich bin ab sofort Mary Alice für Sie.«
    Bonnie Blue blickte mich grinsend an. »Möchtest du was zu essen, Daddy? Patricia Anne und ich holen uns eine kleine Stärkung.«
    »Bringt mir irgendwas mit, egal was«, sagte Abe Butler.
    »Mir auch«, fügte meine Schwester an. »Und ich hätte gern ein Glas Champagner.«
    »Sie werden eine Weile beschäftigt sein«, lachte Bonnie Blue, während wir die Galerie in Richtung Büffet durchquerten.
    »Wer ist denn nun Mercy Armistead?« fragte ich. »Mary Alice kennt sie, ich aber nicht.«
    »Du kannst sie gar nicht übersehen.« Bonnie Blue schaute sich um. »Sie hat rotes Haar, das sie in langen Locken trägt, wie
     Tante Pittypat Hamilton in ›Vom Winde verweht‹. Bißchen eigenartig, aber hübsch. Als Daddy und ich vorhin hier ankamen, sah
     sie allerdings eher aus wie Frankensteins Braut. Erinnerst du dich an den Film? Der Braut steht auch das Haar rundum vom Kopf
     ab. Ich vermute, Mercy steckt noch irgendwo im Nebenzimmer und versucht es zu kämmen.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Irgend so ein Lockenschaum, den sie benutzt hat.«
    »Ich wette, es war der für extra lockiges Haar. Den habe ich versehentlich mal gekauft, und er hat geklebt wie Leim.«
    »Du Ärmste.« Bonnie Blue strich sich grinsend über ihren gepflegten Afroschnitt. »Das ist Mercys Mann, Thurman Beatty.« Sie
     zeigte auf einen großen blonden Mann, der nach Anfang Vierzig aussah und den muskulösen Nacken eines |31| professionellen Athleten hatte. Er ging mit einer Flasche Champagner umher und füllte die Gläser.
    »Ich erinnere mich an ihn!«
    »Klar tust du das. Mr.   Roll Tide. Football. Yeah, Alabama!«
    »Er war großartig.«
    »O ja.«
    Fred wäre begeistert gewesen, Thurman Beatty hier zu sehen. Man mußte nur diesen Namen erwähnen, und er ereiferte sich nach
     wie vor darüber, wie Thurman

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