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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vorsichtig gegen den Tisch und begann die Kartoffeln zu
     schrubben.
    Wenige Minuten später stand Fred in der Tür.
    »Hör zu, Liebling, ich wollte dich nicht ärgern. Ich finde das Bild nur nicht wirklich schön, das ist alles.«
    Ich antwortete nicht, woraufhin er ein paar Schritte in die Küche machte.
    »Ich häng’ es heute abend für dich auf. Hier im Wohnzimmer, okay?«
    Ich nickte widerstrebend.
    »Nur eins.« Er kam zum Tisch und blickte auf das Bild. »Darf ich den Flaschenöffner in die Mitte setzen, damit es gerade hängt?«
     
    |24| Mary Alice hielt um sieben vor unserem Haus und hupte, keine Minute zu spät. Sie ist immer pünktlich, eine Eigenschaft, die
     nicht recht zu ihrem restlichen Charakter paßt, für die ich jedoch dankbar bin. Als ich mich auf den Beifahrersitz gleiten
     ließ, wollte sie wissen, welche Schuhe ich anhätte.
    »Schlammfarbene. Ist das genehmigt?«
    »Solange sie nicht in diesem Winterweiß sind.«
    »Hör auf, dich über meine Schuhe zu ereifern, Mary Alice. Ich ziehe an, was ich will.«
    »Wer wird sich denn gleich aufregen.«
    Wir fuhren ein paar Blocks weiter, Mary Alice summte leise ›Joy to the World‹.
    »Gefällt Fred dein Bild?« fragte sie, als wir in die Schnellstraße einbogen.
    »Er wollte wissen, warum beide Füße in dieselbe Richtung zeigen.«
    »Der Mann hat einfach keine Phantasie.« Sie fädelte sich mühelos in den Verkehr ein. »Deswegen braucht er dich auch.«
    »Er hat durchaus eine gewisse Phantasie.«
    »Nein, hat er nicht. Und du hast keinen gesunden Menschenverstand; deshalb brauchst du ihn.«
    »Selbstverständlich besitze ich gesunden Menschenverstand. Sogar eine ganze Menge.« Eine Ahnung beschlich mich. »Du hast in
     letzter Zeit häufig die ›Oprah Winfrey Show‹ gesehen, stimmt’s?«
    »Nein. Aber Bill und ich machen gerade ein Seminar zum Thema ›Mein wahres Ich‹. Ich bin der EV U-Typ : extrovertiert, verstandesbetont, urteilsfähig, und Bill genauso.« Sie blickte zu mir herüber: »Du bist introvertiert, intuitiv,
     gefühlsbetont, und Fred ist IVU.   Da geh’ ich jede Wette ein.«
    »Hey«, sagte ich, »wir kommen gut miteinander klar. Okay?«
    »Natürlich. Eben deshalb.«
    |25| Mary Alice fuhr fort, die Persönlichkeitstests zu erklären, die sie und Bill gemacht hatten, und ich blickte aus dem Fenster
     und ließ meine Gedanken schweifen. Wir waren auf dem Teil des Highways, der hoch über dem Stadtzentrum entlangführt, und ich
     konnte die geschmückten Bäume im Park der Bibliothek sehen und das Sonat Building mit seiner extravaganten Dekoration: bunte
     Jalousien in bestimmten Fenstern, die zusammen ein weihnachtliches Motiv über die gesamte Gebäudefläche bilden. Auf der einen
     Seite ist es ein Weihnachtsbaum, auf der anderen ein Strumpf. Auf der dritten Seite ist ein Kranz zu sehen, und auf der vierten
     steht in großen Lettern »Joy« geschrieben. Fred und ich kamen einmal kurz vor Weihnachten mit dem Flugzeug aus Philadelphia
     und konnten die Weihnachtsgrüße auf dem Gebäude bereits Meilen vor der Landung lesen.
    »Er neigt außerdem dazu, Dinge nicht wahrzunehmen.« Schwesterherz redete noch immer über Bill und die Persönlichkeitstests.
     »Deshalb ist auch der Alarm dauernd losgegangen. ›Bill‹, habe ich gesagt, ›Bill, wie kann es sein, daß du dieses große Plastikteil
     in deinem Bart nicht bemerkt hast? Es muß dir doch gegen die Brust geschlagen haben.‹ Du weißt, wie groß diese Dinger sind.
     Und er hat geantwortet, er dachte, das gehöre dorthin.« Mary Alice setzte den rechten Blinker, und wir fuhren von der Schnellstraße
     ab. »Ich weiß allerdings auch nicht, was so ein Plastik-Sicherheitsetikett auf einem Weihnachtsmannkostüm zu suchen hat. Das
     ist doch absurd.«
    Ich gab ihr recht.
    »Halt bitte allmählich Ausschau nach der Sixth Avenue, Maus. Welche ist das hier? Fourth?«
    »Ja«, sagte ich. In Wahrheit hatte ich keine Ahnung. Ich hatte meine Brille nicht auf. Aber wenn ich zugab, daß ich die Straßenschilder
     nicht erkennen konnte, würde ich einen Vortrag über Kontaktlinsen zu hören bekommen, die ich bereits einmal probiert und ständig
     verloren hatte.
    |26| Wir fanden problemlos zu unserem Ziel. Die Mercy-Armistead-Galerie befand sich in einer alten Abfüllfabrik, und irgend jemand
     war clever genug gewesen, diese in einzelne Ladenlokale aufzuteilen, in denen sich Boutiquen und Geschenkartikelläden einquartiert
     hatten. Mehrere Künstler hatten ihre Ateliers dort,

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