Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
biegt sich nicht so durch wie Leinwand.«
    »Ja, natürlich.« Ich nickte verständnisinnig.
    »Pappe ist auch okay. Wenn Sie welche übrig haben – ich kann sie gebrauchen.«
    Ich nickte erneut und blickte mich nach Schwesterherz um. Meine Füße begannen zu schmerzen.
    »Jetzt wäre noch was zu trinken recht«, sagte Abe.
    »Was darf’s denn sein?«
    Er hielt sein Glas hoch. »Champagner.«
    Ich nahm das Glas und ging damit in Richtung Büffet. Unterwegs sah ich Schwesterherz bewundernd vor Leota Woods Quilts stehen
     und machte einen Abstecher zu ihr.
    »Du hast doch gesagt, du wolltest mir hier mein Weihnachtsgeschenk kaufen. Ich hätte gern den da drüben«, sagte ich und zeigte
     auf den Quilt, der ›The Sixties‹ betitelt war.
    Mary Alice ging hinüber und schaute nach dem Preis. »Ich sag’s Fred«, erklärte sie.
    In dem Fall, sagte ich, würde ich mich eben noch eine Weile gedulden.
    Sie blickte auf das Glas in meiner Hand. »Für Abe«, sagte ich.
    »Mein Gott, der inhaliert das Zeug förmlich. Es wird ihn jemand heimbringen müssen.«
    »James übernimmt das.«
    »Komm und sieh dir diese Holzschnitzereien an«, sagte sie. »Das sind kleine Totempfähle aus Stuhlbeinen.«
    |37| Wir schoben uns durch die Menge. Ich sah Mercy im Gespräch mit ihrer Großtante Liliane Bedsole, der Frau mit dem karottenroten
     Haar, und stupste meine Schwester in den Rücken. »Ich habe Mercy kennengelernt. Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie die
     Folk-Art-Vertreter für die heißesten Künstler hält. Ich frage mich, warum sie dann ihre Galerie mit einer Ausstellung ihrer
     Werke eröffnet.«
    Wir waren bei den Holzschnitzereien angelangt. Die meisten von ihnen waren entzückende, buntbemalte Einzelfiguren. Ein paar
     von ihnen waren jedoch eindeutig in anzügliche Posen verstrickt. Und dabei sehr witzig. Der Künstler hatte die umschlungenen
     Figuren mit einem Gesichtsausdruck versehen, der eindeutig aussagte: »Na, wie wär’s?« Auf fast jeder Schnitzerei klebte ein
     kleines rosafarbenes »Verkauft«-Schildchen.
    »Diese rosa Schildchen sind der Grund. Sie hat schon das allermeiste verkauft.« Mary Alice griff nach einer der Figuren. »Erinnert
     der dich nicht an Bill?«
    »Du träumst wohl.«
    »Aber nein, sieh doch. Den muß ich haben.« Schwesterherz drehte die Schnitzerei um und schaute nach dem Preis. »Oha!«
    »Claire Moon sagt, Mercy sei nicht aufs Geld angewiesen.«
    »Sagtest du nicht, du hättest Claire Moon in der Oberstufe als Schülerin gehabt?« Schwesterherz öffnete ihre Handtasche, zog
     ihr Scheckbuch heraus und tätschelte es liebevoll. »Also, wenn du mich fragst, hat es das Mädchen faustdick hinter den Ohren.«
     Und mit dieser Bemerkung wandte sich meine Schwester dem Kauf zweier geschnitzter Stuhlbeine zu, die ständig umkippten und
     laut den Beteuerungen des Künstlers ein Paar waren.

|38| 3
    Fred schlief tief und fest, als ich nach Hause kam. Ich zog mich leise aus und ging ins Wohnzimmer, um noch etwas zu lesen
     und abzuschalten. Als ich schließlich neben ihn ins Bett kroch, schnarchte er leicht, und es war fast ein Uhr. Ich kuschelte
     mich an ihn und bekam nichts mehr mit, bis ich die Dusche rauschen hörte. Sieben Uhr zwanzig. Ich gähnte, drehte mich auf
     die Seite und versuchte, mich wieder in den schönen Traum zurückzukatapultieren, den ich gerade geträumt hatte und der sich
     schon wieder in Nichts aufgelöst hatte. Es nutzte nichts. Ich war wach.
    Ich schaltete den Fernsehapparat ein, um zu sehen, wie das Wetter würde, und stieß auf die Lokalnachrichten. »Vermutlich ein
     Herzanfall«, sagte der Sprecher. Als ich mich nach meinem Morgenmantel bückte, warf ich einen flüchtigen Blick auf den Bildschirm
     und mußte daraufhin zweimal hinschauen. Mercy Armistead lächelte mich an. Ich griff nach der Fernbedienung und erhöhte die
     Lautstärke.
    »Ms. Armisteads Leiche wurde von ihrem Mann, dem früheren Footballstar Thurman Beatty, in der Galerie gefunden, deren Besitzerin
     sie war. Erst am vergangenen Abend hatte sie dort eine Eröffnungsgala veranstaltet.«
    Fred kam in ein Handtuch gewickelt ins Zimmer.
    »Mercy ist tot.«
    »Die Schauspielerin, die damals in ›Sex im Frauengefängnis‹ die Selma gespielt hat? Wie war noch ihr richtiger Name? Mercedes
     McCambridge, oder?« Fred ließ unter lasziven Verrenkungen das Handtuch fallen.
    |39| »Zieh dich an«, sagte ich. »Und bleib mir mit deinen Leinwandidolen vom Hals.«
    Er grinste und stieg in seine

Weitere Kostenlose Bücher