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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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seinem außergewöhnlichen Expertenwissen zu unterstützen.
    Jack war klar, dass Sanas übertriebenes Verhalten nur dem Zweck diente, Shawn zu irritieren, was ihr anscheinend auch gelang.
    Als Sana Alex in der Bioschleuse half, fragte Jack Shawn deshalb leise: »Gilt die Verabredung für heute Abend noch, oder sollten wir umdisponieren?«
    »Es bleibt dabei, darauf kannst du deinen Hintern verwetten«, blaffte Shawn. »Ich weiß auch nicht, was manchmal in sie fährt. Aber egal, was es ist, sie sollte besser damit aufhören.«
    Rücksichtsvoll verkniff Jack sich jeden weiteren Kommentar, pickte stattdessen einen Knochen aus dem Ossuarium und versuchte herauszufinden, was es war.
    Nach ihrer Rückkehr aus der Bioschleuse beschäftigte sich Sana noch weitere fünf Minuten mit Alex, dem ihre Aufmerksamkeit offenkundig gefiel. Aber als sie sahen, dass Jack und Shawn mit der anatomisch korrekten Zuordnung der Knochen ziemliche Probleme hatten, sprangen sie ein und leisteten Hilfestellung. Ein paar Minuten
später hatte Alex die Führung übernommen und damit begonnen, jeden einzelnen Knochen zu kommentieren, bevor er ihn dem Skelett hinzufügte, das immer mehr Fläche beanspruchte. Nach einer halben Stunde waren sie fertig.
    Für Sana waren der Schädel und der Unterkiefer von größtem Interesse, weil sich noch einige Zähne an ihrem ursprünglichen Platz befanden. Shawn hingegen interessierte sich am meisten für die Beckenknochen. Als Alex die Knochenfragmente in den Händen gehalten hatte, hatte er beiläufig erwähnt, dass die Frau Mutter gewesen sein musste, und zwar wahrscheinlich Mutter mehrerer Kinder.
    »Dies ist ein bemerkenswert vollständiges Skelett«, bemerkte Alex, als er es im Ganzen betrachtete und hier und da die Position einzelner Knochen korrigierte. »Sehen Sie mal, sogar die kleinen Fingerknochen beider Hände sind vollständig. Das ist wirklich bemerkenswert. Das gab es bei keinem der Ossuarien, die ich bisher untersuchen durfte. Wer auch immer das getan hat, hatte sehr großen Respekt vor der Verstorbenen.«
    »Sie sagten, es sei eine Frau!«, stellte Shawn aufgeregt fest. »Sind Sie sicher, dass es das Skelett einer Frau ist?«
    »Absolut! Sehen Sie sich nur die feinen Augenbrauenbögen an«, sagte er und zeigte auf den Schädel. »Und schauen Sie hier, die zarten Armknochen und die langen Oberschenkelhalsknochen. Wenn ich die Beckenknochen zusammenfüge«, Alex hob die Knochen hoch und hielt sie so zusammen, wie sie bei einer Lebenden verbunden waren, »sehen Sie, wie breit die Schambeinfuge ist. Das Skelett ist weiblich. Ohne jeden Zweifel!«
    »Sie haben ja auch schon erwähnt, dass sie mehrere Kinder hatte«, bemerkte Shawn mit selbstzufriedenem Grinsen.

    »Darauf würde ich allerdings nicht bestehen«, antwortete Alex.
    Shawns Grinsen verlor sich ein wenig. »Warum nicht?«
    »Das hier sind wirklich auffällige Sulci praeauricularis«, sagte Jack, nahm ein Darmbein zur Hand und zeigte es Alex. »Ich habe noch nie größere gesehen.«
    »Was sind Sulci?«, fragte Shawn.
    Jack wies auf gefurchte Regionen am Knochenrand. »Solche Sulci entstehen nach Geburten. Diese hier gehören zu den tiefsten, die ich jemals gesehen habe. Ich würde sagen, sie muss fast zehn Kinder geboren haben.«
    Alex hob einen Finger und erhob Einspruch: »Die Tiefe der Sulci am Darmbein und die Flecken am Schambein an den Schambeinfugen sind nicht zwangsläufig proportional zur Anzahl der Kinder, die eine Frau geboren hat.«
    »Aber im Normalfall sind sie es«, betonte Jack.
    »Ganz recht«, sagte Alex. »Im Normalfall schon, das muss ich zugeben.«
    »Also, die Furchen und Flecken an den Gebeinen dieser Frau legen nahe, dass sie ein paar Kinder geboren hat. Würden Sie mir so weit zustimmen?«
    »Ja, Jack, das würde ich. Aber ich kann nicht ausschließen, dass wir danebenliegen. Haben Sie irgendeine Idee, wer diese Frau gewesen ist und wie viele Kinder sie wirklich hatte? Steht auf dem Ossuarium ein Name oder eine Jahreszahl? Was ist mit den Schriftrollen? Werden da Kinder erwähnt?«
    Einen Augenblick lang erstarb jede Bewegung. Nur das Geräusch des Kühlschranks im Hintergrund durchdrang die Stille. Weil er die plötzlich angespannte Atmosphäre spürte, erkundigte sich Alex: »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Überhaupt nicht«, beeilte sich Shawn. »Wir sind uns bei der Herkunft der Gebeine nicht sicher, aber auf der
Abdeckung des Ossuariums steht eine Jahreszahl. Sie lautet 62 n. Chr., aber wir wissen

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